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Unmittelbares Ansetzen bei vermeintlicher Mittäterschaft







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Mittäterschaft; vermeintliche; Münzhändler; Münzhändlerfall; Gesamtlösung; unmittelbares Ansetzen; untauglicher Versuch



Problemaufriss



Das unmittelbare Ansetzen ist das Kriterium zur Unterscheidung zwischen i.d.R. strafloser Vorbereitungshandlung und strafbarem Versuch. Nach herrschender Auffassung erfolgt die Bestimmung des Zeitpunkts des unmittelbaren Ansetzens bei mehreren Mittätern auf der Basis einer Gesamtbetrachtung (siehe das Problemfeld hier). Problematisch ist allerdings, inwiefern diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn jemand sich infolge eines Irrtums fälschlich für den "Mittäter" eines anderen hält.



 Beispiel (nach BGHSt 40, 299; "Münzhändler-Fall"): D schlägt A vor, Münzhändler M zu berauben. Dabei gibt D vor, dass M damit einverstanden sei, da er den vermeintlichen Raub für einen Versicherungsbetrug nutzen wolle. A solle dieses Wissen beim Überfall dem M gegenüber aber nicht zu erkennen geben. A begibt sich zum Laden des M, fesselt diesen und nimmt Beute im Wert von ca. 400.000 EUR an sich. In Wirklichkeit wollte M nie seine Versicherung betrügen und sich zu diesem Zweck überfallen lassen. Er meldet den Schaden noch am Tattag seiner Versicherung. Strafbarkeit des A?



 A glaubt, M sei mit seinen Handlungen einverstanden. Hinsichtlich der in Betracht kommenden Delikte nach den §§ 249250 I Nr. 1b, 239240123223 schließt der Irrtum über das tatsächlich fehlende Einverständnis bzw. die Einwilligung des M (Differenzierung streitig) den Vorsatz des A nach hM nach § 16 (analog) aus, sog. Erlaubnistatumstandsirrtum.



Fraglich erscheint jedoch, ob sich der Täter in derartigen Fällen wegen fremdnützigen (untauglichen) versuchten mittäterschaftlichen Betruges nach §§ 263 I, II, 2223 I, 25 II strafbar macht.



Problembehandlung



Ansicht 1: Nach einer Ansicht sollen die Grundsätze der Gesamtlösung auch bei lediglich vermeintlicher Mittäterschaft Anwendung finden, sog. weite Gesamtlösung (BGHSt 40, 299, 302). Danach genügt also auch ein Ansetzen des vermeintlichen Mittäters.



Begründet wird dies insbesondere damit, dass gem. § 22 gerade die subjektive Tatplanperspektive maßgeblich sei; was erlaube, dem Täter, der eine andere Person irrig als Mittäter ansieht, die fremde Versuchshandlung zuzurechnen (Rengier Strafrecht AT, 16. Aufl. 2024, § 36 Rn. 27).



Zum Beispiel: A ist nach §§ 263 I, II, 2223 I, 25 II strafbar, denn mit dem Melden des Schadens bei der Versicherung bringt M (vermeintlicher Mittäter) die Tat vom Vorbereitungs- ins Versuchsstadium. Dies kann A gem. § 25 II zugerechnet werden.



 Kritik: Es ist zwar notwendig, dass der objektive Versuchstatbestand des § 22 von einem der Komplizen erfüllt wird, da man nur zurechnen kann, was ein anderer auch tatsächlich erfüllt. Jedoch darf man sich nach dem Kriterium des § 22 nicht auf das Vorliegen einer Versuchshandlung aus der Außensicht beschränken und die subjektive Vorstellung außer Acht lassen (BGHSt 39, 236, 238; Rengier Strafrecht AT, 16. Aufl. 2024, § 36 Rn. 27).



 Ansicht 2: Nach der herrschenden Ansicht kann der mittäterschaftliche Versuch nur angenommen werden, wenn derjenige, der irrtümlich an das Bestehen einer Mittäterschaft glaubt, selbst tatbestandlich handelt; ein Ansetzen des vermeintlichen Mittäters reicht gerade nicht aus, sog. enge Gesamtlösung (Schönke/Schröder/Eser/Bosch StGB, 30. Aufl. 2019, § 22 Rn. 55a; LK/Murmann, 13. Aufl. 2021, § 22 Rn. 216; Kretschmer, JA 2020, 583, 590). Fremdes Handeln (des Schein-Mittäters) zuzurechnen, ist ausgeschlossen, da es an einem gemeinsamen Tatplan fehlt, der für die mittäterschaftliche Zurechnung erforderlich ist und so nur die schlechte Gesinnung bestraft werden würde (Schönke/Schröder/Eser/Bosch StGB, § 22 Rn. 55a; Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 20 Rn. 123a).



Zum Beispiel: A und M haben keinen gemeinsamen Tatplan, auf dessen Grundlage Beiträge zugerechnet werden können. A selbst hat nicht unmittelbar zur Verwirklichung des § 263 angesetzt, denn nur M hat den Schaden der Versicherung gemeldet. Folglich macht sich A nicht nach §§ 263 I, II, 22, 23 I, 25 II strafbar. Er begeht lediglich eine straflos versuchte Beihilfe zum Versuch.



 Hinweis:



Diese Frage stellt sich noch in zwei weiteren Konstellationen:




  1. Wenn einer von zwei Beteiligten (z.B. ein verdeckter Ermittler) die verabredete Tat nur scheinbar erfüllt (Rengier AT, § 36 Rn. 25).

  2. Wenn ein ursprünglicher Mittäter sich heimlich von der Verabredung lossagt, seinen Tatbeitrag aber bspw. auf Anraten der Polizei noch erbringt (Rengier AT, § 36 Rn. 25).















Die Seite wurde zuletzt am 2.6.2025 um 9.19 Uhr bearbeitet.



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