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Unmittelbares Ansetzen beim unechten Unterlassungsdelikt







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unmittelbares Ansetzen; Unterlassungsdelikt



Problemaufriss



Wenn das unechte Unterlassungsdelikt nicht vollendet wurde, stellt sich die Frage, wann der Versuch des Unterlassungsdelikts beginnt. Auch hier gilt die allgemeine Regel des § 22



Beispiel: Zwei Züge fahren aufeinander zu. Der erste Zug passiert zunächst die Weiche 1 und kurz vor der Kollision der Züge die Weiche 2. An jeder der Weichen könnte der Zug umgeleitet und damit ein Zusammenstoß vermieden werden. Bahnwärter W verlässt in Kenntnis der Sachlage das Bahnwärterhäuschen, in dem er die Weiche umstellen kann, zu einem Moment, in dem sich der erste Zug zwischen Weiche 1 und Weiche 2 befindet. Eine Kollision der Züge kann durch die aufmerksamen Lokführerinnen in letzter Sekunde verhindert werden.



Problembehandlung



Ansicht 1: Teilweise wird der Versuchsbeginn bereits in dem Zeitpunkt angenommen, in dem der Garant die erste zur Erfolgsabwendung taugliche Maßnahme unterlässt (Schröder, JuS 1962, 81).



Zum Beispiel: W hätte in dem Moment zum Unterlassen angesetzt, als der Zug die Weiche 1 passierte.



Kritik: Der Versuchsbeginn wird zu weit vorverlagert: Ist erst die erste Rettungsmöglichkeit verstrichen, erscheint das Tatobjekt regelmäßig noch nicht unmittelbar gefährdet. Außerdem gelangt man so zu einer strengeren Haftung gegenüber den Begehungsdelikten, bei denen das Tatobjekt bei Versuchsbeginn regelmäßig bereits unmittelbar gefährdet sein muss (Roxin Strafrecht AT II, 2003, § 29 Rn. 281 ff.). 



Ansicht 2: Nach anderer Ansicht liegt das unmittelbare Ansetzen in dem Augenblick, in dem der Garant die letzte zur Erfolgsabwendung taugliche Maßnahme verstreichen lässt (Welzel Das Deutsche Strafrecht, 11. Aufl. 1969, S. 221).  



Zum Beispiel: Das unmittelbare Ansetzen in dem Zeitpunkt, in dem der erste Zug die Weiche 2 passiert, da das die letztmögliche Rettungshandlung für W darstellt.  



Kritik: Der Versuchsbeginn wird zeitlich zu weit nach hinten verlagert. Ein Rücktritt vom Unterlassungsversuch wäre so überhaupt nicht mehr denkbar. Überhaupt lässt diese Ansicht für einen Unterlassungsversuch nur einen engen Raum: Der Unterlassungsversuch wäre nur noch als untauglicher oder fehlgeschlagener Versuch denkbar (Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 18 Rn. 147).



Ansicht 3: Die herrschende Meinung (Roxin Strafrecht AT II, § 29 Rn. 286; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 54. Aufl. 2024, Rn. 1227 f.; Lackner/Kühl/Heger/Heger StGB, 30. Aufl. 2023, § 22 Rn. 17) nimmt einen vermittelnden Standpunkt ein. Der Versuch des Unterlassungsdelikts beginne spätestens, wenn das Tatobjekt unmittelbar gefährdet erscheint. Gibt der Täter zuvor aber die Möglichkeit eines rettenden Eingriffs und das Geschehen damit "aus der Hand", so liege darin bereits das unmittelbare Ansetzen zum Unterlassungsdelikt. Ab dann lasse der Täter dem Geschehen seinen Lauf. 



Zum Beispiel: In dem Moment, in dem der Bahnwärter sein Häuschen verlässt, habe er unmittelbar angesetzt.















Die Seite wurde zuletzt am 2.6.2025 um 9.01 Uhr bearbeitet.



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