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Rechtmäßigkeitsbegriff des § 113 III







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Widerstand; Vollstreckungsbeamte; rechtswidrig; nichtig; verwaltungsrechtlich; strafrechtlich; vollstreckungsrechtlich


Problemaufriss


Nach § 113 I macht sich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte strafbar, wer einem Amtsträger oder Soldaten bei Vornahme einer Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift. Absatz 3 schränkt den Tatbestand in diesem Zusammenhang auf die Fälle des Widerstands gegen Amtsträger ein, die gerade eine tatsächlich rechtmäßige Diensthandlung vornehmen.


Dabei ist unklar, wann eine Diensthandlung rechtmäßig im Sinne des § 113 III ist.


Zur Frage, wie das Rechtmäßigkeitserfordernis dogmatisch einzuordnen ist, vgl. das entsprechende Problemfeld.


Problembehandlung


Ansicht 1: Nach überwiegender Auffassung ist ein spezifisch strafrechtlicher Rechtmäßigkeitsbegriff anzuwenden, wonach nicht die materielle, sondern vielmehr die formelle Rechtmäßigkeit für die Beurteilung der Diensthandlung maßgeblich sei soll. Das heißt, die Diensthandlung ist rechtmäßig, wenn der Polizist im konkreten Fall sachlich wie örtlich zuständig ist, er die wesentlichen Förmlichkeiten beachtet (zum Beispiel: die Hinzuziehung von Zeugen bei der Zwangsvollstreckung nach § 759 ZPO oder bei der Durchsuchung nach § 105 StPO; die fehlerfreie Belehrung) und er ferner die tatsächlichen Eingriffsvoraussetzungen pflichtgemäß würdigt. Auch der Irrtum eines Amtsträgers schließt die Rechtmäßigkeit solange nicht aus, wie der Irrtum unvermeidbar war (BGHSt 4, 161; Fischer StGB, 65. Aufl. 2018, § 113 Rn. 11; Lackner/Kühl/Heger StGB, 29. Aufl. 2018, § 113 Rn. 7; eingeschränkt Schönke/Schröder/Eser StGB, 29. Aufl. 2014, § 113 Rn. 22).


Kritik: Hierdurch werden außerhalb des Gesetzes staatliche Eingriffsrechte gebildet. Zwar müssen Vollstreckungsbeamte bei Anwendung dieses Begriffs im Einsatz weniger "durchprüfen", jedoch kann es ein "Irrtumsprivileg" zugunsten des Staates und zulasten des Bürgers in einem heutigen Rechtsstaat nicht geben (Rengier Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 53 Rn. 20 ff.). Rechtsunsicherheit wird im Übrigen dadurch geschaffen, dass das Bundesverfassungsgericht den Begriff zwar grundsätzlich anerkennt, den Fachgerichten jedoch aufgegeben hat, bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungshandlung dem Schutzbereich der jeweils betroffenen Grundrechte Rechnung zu tragen (BVerfG NVwZ 2007, 1180 ff.).


Ansicht 2: Nach dem verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff ist die verwaltungsrechtliche Wirksamkeit der Maßnahme maßgeblich. Diese entfällt gem. § 43 III VwVfG regelmäßig nur bei Nichtigkeit und nicht etwa bei bloßer Rechtswidrigkeit. Diese Ansicht schränkt die Rechtswidrigkeit der Maßnahme damit stärker ein als die strafrechtliche Betrachtung (Meyer NJW 1972, 1845 ff.).


Kritik: Die Ansicht verkürzt den Rechtsschutz des Bürgers unangemessen, da dieser lediglich evident mangelhafte Vollstreckungshandlungen abwehren dürfte (Kindhäuser Strafrecht BT I, 8. Aufl. 2017, § 36 Rn. 38).


Ansicht 3: Nach dem materiellen oder vollstreckungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff der Gegenauffassung, die sich stärker am öffentlichen Recht orientiert, ist eine Maßnahme allein dann rechtmäßig im Sinne des § 113 III, wenn sie sofort vollstreckbar ist. Nur so ließen sich Widersprüche zwischen dem Strafrecht und anderen Rechtsgebieten vermeiden. Hierzu ist zwischen Grund-Rechtsakt und eigentlichem Vollstreckungsakt zu unterscheiden: Vollstreckbar ist eine Diensthandlung dann nicht, wenn die zugrundeliegende Ermächtigungsgrundlage nichtig ist, da sie nur dann auf die Vollstreckungsmaßnahme durchschlägt, oder, falls sie aber wirksam ist, wenn eine Verletzung von Vollstreckungsvorschriften zu einer Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsmaßnahme führt (Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, § 113 Rn. 27.; Nomos Kommentar StGB/Paeffgen, 5. Aufl. 2017, § 113 Rn. 40 f.; Otto Strafrecht BT, 7. Aufl. 2005, § 91 Rn. 15; Rengier Strafrecht BT II, § 53 Rn. 20 ff.; Kindhäuser Strafrecht BT I, § 36 Rn. 43).


Kritik: Gegenüber dem strafrechtlichen Begriffsverständnis wird dem oftmals in der konkreten Situation im Stress befindlichen Vollzugsbeamten eine umfangreichere Prüfung eigenen Verhaltens aufgebürdet. Dies behindert die Effektivität des Vollzugsdiensts, obwohl dem zu Unrecht in Anspruch genommenen Bürger in jedem Fall über die Fortsetzungsfeststellungsklage der nachträgliche Rechtsschutz möglich ist. Im Übrigen entspricht die Ansicht auch nicht dem gesetzgeberischen Willen, der bei Neufassung des § 113 im Rahmen des 3. Strafrechtsreformgesetzes ausdrücklich den strafrechtlichen Begriff präferierte (vgl. BT-Drs. VI/502, S. 4 f.; Lackner/Kühl/Heger StGB, § 113 Rn. 7).















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 14.00 Uhr bearbeitet.



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