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Widerstandsleisteni.S.v. § 113







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Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte; Widerstandsleisten; Sitzblockade; Mitwirkungsverweigerung; § 113; Ungehorsam; Gewaltbegriff; Gewalt; Drohung mit Gewalt; Verhältnis zu § 240; Gewalt gegen Sachen


Problemaufriss


§ 113 setzt als erste Tatalternative ein Widerstandsleisten mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt seitens des Täters voraus. Fraglich ist wie dieses Tatbestandsmerkmal auszulegen ist.


Beispiel: A wird von Polizist B zum Anhalten aufgefordert, fährt jedoch mit seinem Auto weiter. Liegt ein Widerstandsleisten i.S.v. § 113 vor?


Problembehandlung


Das Tatbestandsmerkmal des Widerstandleistens besteht aus zwei Komponenten. Zum einen dem Widerstandleisten an sich und zum anderen dem Widerstandsmittel.


I.) Ein Widerstandsleisten liegt grundsätzlich in jedem aktiven Tun des Täters, das gegen den Vollstreckungsbeamten gerichtet ist und zumindest aus Sicht des Täters dazu geeignet ist, dessen Diensthandlung zu vereiteln oder zu erschweren (Leipziger Kommentar StGB/Rosenau, 12. Aufl. 2009, § 113 Rn. 22; Münchener Kommentar StGB/Bosch, 2. Aufl. 2012, § 113 Rn. 17; Lackner/Kühl/Heger StGB, 29. Aufl. 2018, § 113 Rn. 5; Schönke/Schröder/Eser StGB, 29. Aufl. 2014, § 113 Rn. 40). Dabei muss das Verhalten nicht zum beabsichtigten Erfolg führen, da § 113 bereits den Widerstand als solchen unter Strafe stellt.


II.) Hinsichtlich der Widerstandsmittel unterscheidet das Gesetz zwischen Gewalt und der Drohung mit Gewalt. Der Gewaltbegriff des § 113 ist dabei umstritten.


Ansicht 1: Eine Ansicht orientiert sich am Gewaltbegriff des § 240 und stellt auf die Herbeiführung einer physischen oder psychischen Zwangslage des Opfers ab (Krey Zum Gewaltbegriff im Strafrecht, Band 2, 1988, 37 f.).


Kritik: Die Vereinheitlichung der in § 113 und § 240 verwendeten Gewaltbegriffe führe zu einer Gleichstellung des aktiven und des rein passiven Widerstandes. Aus dem Wortlaut des § 113 I ergebe sich aber eine aktive Bedeutung, so dass rein passiver Widerstand aus dem Anwendungsbereich des § 113 I ausscheide.


Ansicht 2: Nach anderer Ansicht ist Gewalt i.S.d. § 113 eine durch tätiges Handeln gegen die Person des Vollstreckenden gerichtete Kraftäußerung, mit der eine Verhinderung oder Erschwerung der Diensthandlung bezweckt werde (Sch/Sch/Eser StGB, § 113 Rn. 42; Fischer StGB, 65. Aufl. 2018, § 113 Rn. 23; Wessels/Hettinger Strafrecht BT I, 40. Aufl. 2016, Rn. 628, 383 ff.). Im Gegensatz zu § 240 sei Gewalt i.S.d. § 113 daher weniger Zwangswirkung, als vielmehr Zwangsmittel (LK/Rosenau, 12. Aufl. 2009, § 113 Rn. 23). Gewalt gegen Sachen komme somit nur dann in Betracht, wenn sie sich auch unmittelbar gegen den Beamten richte.


Kritik: Zwar sei es grundsätzlich möglich, einem Begriff innerhalb eines Gesetzes mehrere Bedeutungen zukommen zu lassen, jedoch bestünde zwischen § 113 und § 240 ein derart enger Zusammenhang, dass eine einheitliche Auslegung des Gewaltbegriffs geboten sei. Dies ergebe sich daraus, dass § 113 lex specialis zu § 240 sei (str. s.u. III.).


III.) Das Tatbestandsmerkmal "Drohung mit Gewalt" erfasst alle Konstellationen, in denen der Täter Gewaltmaßnahmen für den Fall ankündigt, dass die Dienst- oder Vollstreckungshandlung durchgeführt wird. Einschränkend ist dabei erforderlich, dass der Drohende objektiv den Eindruck einer gewissen Ernsthaftigkeit vermittelt. Zudem erfasst § 113 lediglich die Drohung mit Gewalt in dem oben dargelegten Sinne, so dass die Drohungen mit anderen Nötigungsmitteln nicht den Tatbestand erfüllt. Umstritten ist aber, ob die Drohung mit anderen Nötigungsmitteln, dann von § 240 I erfasst wird.


Ansicht 1: Nach einer Ansicht ist ein Rückgriff auf § 240 I in derartigen Konstellationen unzulässig (MK/Bosch, 2. Aufl. 2012, § 113 Rn. 23; Sch/Sch/Eser StGB, § 113 Rn. 45).


Kritik: Auch wenn eine Drohung mit anderen Nötigungsmitteln nicht den Tatbestand des § 113 erfülle, sei es nicht einzusehen, warum dem Beamten der Schutz des § 240 I abgesprochen werde. Dieser Schutz werde jedem Staatsbürger zugebilligt und könne dem Beamten nicht aufgrund seiner Tätigkeit entzogen werden.


Ansicht 2: Eine Ansicht bejaht demnach ein Rückgriff auf § 240 I. Zugunsten des Täters wird aber vorgeschlagen § 113 III, IV analog anzuwenden (Lackner/Kühl/Heger StGB, § 113 Rn. 27; Rengier Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 53 Rn. 28; OLG Hamm NStZ 1995, 547, 548; Dreher NJW 1970, 1153, 1157). Zudem dürfe in diesen Fällen eine Bestrafung aus § 240 den Strafrahmen des § 113 nicht übersteigen.


Kritik: Ein Rückgriff auf § 240 verkenne die privilegierende Spezialität des § 113 (Singelnstein/Puschke NJW 2011, 3473, 3474 ff.). Dieser betreffe gerade den Staatsdiener in seiner Funktion und nicht die dahinter stehende Persönlichkeit. Eine Strafbarkeit aus § 240 I sei daher nicht mit dem allgemeinen Bürgerschutz zu begründen.















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 14.00 Uhr bearbeitet.



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