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Beleidigung von Personen unter Verwendung einer Kollektivbezeichnung und Beleidigungsfähigkeit von Personengesamtheiten







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Personengemeinschaften; Beleidigung; Personengesamtheit; Verbände; Verbandsehre; Kollektivbezeichnung, Beleidigung eines Kollektivs


Eine Beleidigung von Individualpersonen durch Verwendung einer Kollektivbezeichnung ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:



  1. Der betroffene Personenkreis muss klar umgrenzt und überschaubar sein.

  2. Der Personenkreis muss aus der Allgemeinheit hervorstehen.

  3. Die Mitglieder müssen zweifelsfrei bestimmbar sein.


Ein allgemeines Werturteil (z.B. Autoaufkleber mit Aufschrift "Bullen sind Schweine") ist hierfür daher grundsätzlich nicht ausreichend.


Problemaufriss


Der strafrechtliche Ehrschutz erfasst grundsätzlich nur den individuellen Ehrschutz, wie er auch in Art. 5 I, II GG garantiert wird, und daher nur natürliche Personen. Fraglich ist, inwieweit auch Personengesamtheiten umfasst werden sollen.


Problembehandlung


In § 194 III, IV wird der Strafantrag für eine Beleidigung für Behörden, politischen Körperschaften, Stellen der öffentlichen Verwaltung und kirchlichen Einrichtungen explizit geregelt. Nach ganz überwiegender Ansicht besitzen diese Ehrschutz (sog. eigene "Verbandsehre") und sind damit beleidigungsfähig. Für eine Beleidigungsfähigkeit anderer Personengesamtheiten gehen die Meinungen auseinander.


Ansicht 1: Vielfach wird der Schutzbereich des § 194 III, IV auch auf solche Personengesamtheiten ausgedehnt, die in der Lage sind einen einheitlichen Willen zu bilden und eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche Funktion ausüben (BGHSt 6, 191; Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm StGB, 30. Aufl. 2019, Vor § 185 Rn. 3). Begründet wird dies damit, dass ein Wirken der Personengesamtheit nur dann möglich sei, wenn ihre Tätigkeit nicht diskreditiert werde. Dies setze jedoch voraus, dass der soziale Geltungswert derartiger Kollektivgebilde in der gleichen Weise geschützt werde wie der von Einzelpersonen (Sch/Sch/Eisele/Schittenhelm StGB, Vor § 185 Rn. 3, 3a).


Kritik: Der den §§ 185 ff. vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Ehrbegriff ziele lediglich auf natürliche Personen ab. Schutzzweck der Beleidigungstatbestände sei primär der Schutz vor Gefährdungen der Persönlichkeitsentfaltung, welcher in Bezug auf Verbände nicht eingreifen könne (Systematischer Kommentar StGB/Rogall, 9. Auflage 2017\, Vor §§ 185 Rn. 36). Eine Erfassung von Personengesamtheiten bedürfe expliziter Normierung\, wie sie aber nur für die in § 194 III, IV genannten Verbände erfolgt ist (Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 13. Aufl. 2021, Vor § 185 Rn. 19).


Ansicht 2: In der Literatur wird die Erweiterung über § 194 III, IV hinaus zum Teil abgelehnt. Zwar könnten auch bestimmte Verbände einen kollektiv-personalen Wert aufweisen, diese Kollektivehre folge aber nur aus der Ehre der an der Personengesamtheit beteiligten Individualpersonen (Systematischer Kommentar StGB/Rogall, Vor §§ 185 Rn. 36). Durch die Eingrenzung des Schutzbereichs des § 185 entstünden auch keine Strafbarkeitslücken, da bei Verletzungen der Individualehre der an der Personengesamtheit beteiligten Menschen eine Strafbarkeit nach den Grundsätzen der Beleidigung von Einzelpersonen unter einer Kollektivbezeichnung (siehe oben) möglich sei (Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, Vor § 185 Rn. 20).


Kritik: Insbesondere bei größeren Personengesamtheiten bestehe keine hinreichend feste Verbindung zwischen den Menschen und der Organisation, die einen Rückgriff auf die Beleidigung von Einzelpersonen unter einer Kollektivbezeichnung rechtfertigen würde (Sch/Sch/Eisele/Schittenhelm StGB, Vor § 185 Rn. 3).















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 14.04 Uhr bearbeitet.



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