Zurück

Muss sich der Vorsatz auch auf die Unwahrheit der falschen Tatsachenbehauptung beziehen?







Tags


§ 185; Vorsatz; Unwahrheit; unwahr; falsche Tatsachenbehauptung; Beleidigung; § 186; Beweisrisiko


Problemaufriss


Eine gegenüber dem Betroffenen geäußerte Tatsachenbehauptung erfüllt dann den Tatbestand des § 185, wenn sie in ihren wesentlichen Punkten unwahr ist. Fraglich ist jedoch, ob sich auch der Vorsatz des Täters auf die Unwahrheit der Behauptung beziehen muss.


Problembehandlung


Ansicht 1: Nach einer Ansicht ist die Unwahrheit der Tatsache Tatbestandsmerkmal. Folglich muss sie vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Es gilt zudem der Grundsatz in dubio pro reo (Schönke/Schröder/ Eisele/Schittenhelm StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 14; Systematischer Kommentar StGB/Rogall, 9. Aufl. 2017, § 185 Rn. 19; OLG Köln NJW 1964, 2121, 2122; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT I, 44. Aufl. 2020, Rn. 473).


Kritik: Aus § 186 ergebe sich als Grundprinzip der Beleidigungsdelikte, dass die Strafbarkeit vom Nachweis der Unwahrheit grds. unabhängig sei. Ein Ausschluss der Strafbarkeit sei erst bei gelungenem Wahrheitsbeweis anzunehmen, sodass die Unwahrheit zunächst vermutet wird. Es sei somit irrelevant, ob der Täter seine ehrverletzende Behauptung für wahr gehalten hat (Otto Strafrecht BT, 7. Aufl. 2005, § 32 Rn. 14 f.).


Ansicht 2: Eine zweite Ansicht hält demnach die Unwahrheit nicht für ein Tatbestandsmerkmal, sondern betrachtet die Feststellung der Wahrheit als Strafausschlussgrund. Der Täter müsse daher keinen Vorsatz bezüglich der Unwahrheit haben und trage zudem das Beweisrisiko (RGSt 64, 10, 11; Hartung NJW 1965, 1743 f.; Otto Strafrecht BT, § 32 Rn. 14; Tenckhoff JuS 1989, 35, 36 f.).


Kritik: Dass die Strafbarkeit bei § 186 vom Nachweis der Unwahrheit unabhängig sei, begründe sich aufgrund der besonderen Gefährlichkeit des Angriffs durch Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten (Kindhäuser Strafrecht BT I, 7. Aufl. 2014, § 25 Rn. 11). Im Rahmen des § 185 würden jedoch grundsätzlich nur Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen berücksichtigt. Ein Rückschluss aus § 186 stelle daher eine unzulässige Analogie dar. Vielmehr ergebe sich aus § 192, dass eine Beleidigung durch wahre Tatsachenbehauptungen nur ausnahmsweise strafbar sei. I.R.d. § 185 sei die Unwahrheit daher Tatbestandsmerkmal (Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf Strafrecht BT, 3. Aufl. 2015, § 7 Rn. 27; Leipziger Kommentar StGB/Hilgendorf, 12. Aufl. 2010, § 185 Rn. 35).















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 14.04 Uhr bearbeitet.



0 Kommentare.

Nur angemeldete Benutzer können Kommentare abgeben. Bitte anmelden.