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§ 221 Versetzen







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Versetzen; Aufenthaltsortsänderung; Ortsveränderung; Aussetzen; Tathandlung; Zustandsveränderung; hilflose Lage; zurechenbare Verursachung


Problemaufriss


Der Tatbestand des § 221 I Nr. 1 verlangt, dass das Opfer vom Täter in eine hilflose Lage versetzt wird, während in § 221 a.F. ein „Aussetzen“ gefordert wurde.


Daher stellt sich die Frage, ob für das "Versetzen" in § 221 I Nr. 1 eine Aufenthaltsortsänderung des Opfers durch den Täter nötig ist.


Beispiel 1: Gastwirt G setzt den volltrunkenen und nahezu besinnungslosen V in einer eisigen Winternacht auf die Straße als er seine Kneipe schließt (nach KG JR 73, 73).


Beispiel 2: A nimmt dem Diabetiker D bei einer Wanderung in einer einsamen Gegend seinen Insulinvorrat weg, auf den D dringend angewiesen ist.


Problembehandlung


Ansicht 1: In § 221 a.F. war von "Aussetzen" die Rede und setzte damit eine Aufenthaltsortsänderung des Opfers durch den Täter voraus. Dies wird zum Teil auch für den neuen Wortlaut des "Versetzens" angenommen (Krey/Hellmann/Heinrich Strafrecht BT I, 16. Aufl. 2015, Rn. 134).


Lösung nach Ansicht 1: In Bsp. 1 versetzt G dieser Ansicht nach den V in eine hilflose Lage, da er ihn von der Gaststätte auf die Straße bewegt. Die geforderte Aufenthaltsortsänderung liegt vor. Bei Bsp. 2 würde das Versetzen in eine hilflose Lage Ausscheiden, da A keine Ortsveränderung des D vornimmt.


Kritik: Der Wortlaut des § 221 verlangt im Gegensatz zur alten Fassung kein "Aussetzen" mehr. Auch ein Wille des Gesetzgebers, in der Neuregelung an dem Erfordernis der Ortsveränderung festzuhalten, sei nicht ersichtlich (BGHSt 52, 153, 156).


Ansicht 2: Der Begriff des "Versetzens" verdeutliche, dass es allein auf die Schaffung einer Gefahrenlage ankomme, wofür eine Ortsveränderung nicht erforderlich sei. Entscheidend sei allein eine zurechenbare Verursachung der hilflosen Lage. Regelmäßig werde zwar eine Ortsveränderung stattfinden, diese bilde aber nur einen Teil der denkbaren Fallkonstellationen ab. Das Opfer müsse folglich aus einer relativ sicheren in eine hilflose Lage versetzt werden. Es komme auf die Zustandsveränderung an. (Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben StGB, 29. Aufl. 2014, § 221 Rn. 4 f.; Systematischer Kommentar StGB/Wolters [April 2014], § 221 Rn. 4; Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, § 221 Rn. 6 f.; Rengier Strafrecht BT II, 18. Aufl. 2017, § 10 Rn. 7a; Wessels/Hettinger Strafrecht BT I, 40. Aufl. 2016, Rn. 199; BGHSt 52, 153, 156)


Lösung nach Ansicht 2: Sowohl in Bsp. 1 als auch in Bsp. 2 verursachen A und G zurechenbar eine hilflose Lage des V respektive des D. Der Tatbestand des § 221 I Nr. 1 ist damit in beiden Fällen erfüllt, da dieser Ansicht nach keine Ortsveränderung erforderlich sei.


Kritik: Ein solches Verständnis des "Versetzens" führe dazu, dass § 221 I Nr. 1 zu weit gerate und damit zu einem allgemeinen Lebens- und Leibesgefährdungstatbestand werde. Diese führe zu einem Konturverlust der Norm und einer zu großen Ausdehnung der Strafbarkeit.















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 14.09 Uhr bearbeitet.



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