Gesundheitsschädlichkeit eines Stoffes
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gefährliche Körperverletzung; gesundheitsschädlicher Stoff; Gesundheitsschädlichkeit
Problemaufriss
Damit eine Strafbarkeit gem. § 224 I Nr. 1 Alt. 2 wegen gefährlicher Körperverletzung in Betracht kommt, muss der Täter dem Körper des Opfers einen gesundheitsschädlichen Stoff beibringen.
In Betracht kommen dabei solche Stoffe, die durch ihre mechanische oder thermische Wirkung geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen (z.B. kochendes Wasser, Glassplitter) sowie krankheitserregende Mikroorganismen (Viren, Bakterien) (Wessels/Hettinger Strafrecht BT I, 43. Aufl. 2019 Rn. 227). Umstritten ist aber, wann ein Stoff als gesundheitsschädlich anzusehen ist.
Beispiel: A infiziert seinen Konkurrenten B mit dem Z-Virus, einer gefährlichen Tropenkrankheit, um ihn aus dem Weg zu schaffen. Da B jedoch ein begeisterter Abenteuerurlauber ist und plant in ein Land zu reisen, in dem Erkrankungen mit dem Z-Virus gehäuft vorkommen, nimmt er prophylaktisch seit einiger Zeit ein Virostatikum. B leidet an den Symptomen einer Erkältung, ein gefährlicher Krankheitsverlauf ist bei ihm aber von vornherein ausgeschlossen.
Problembehandlung
Ansicht 1: Die h.M. bejaht das Vorliegen eines gesundheitsschädlichen Stoffes erst dann, wenn sich das Beibringen dessen bei Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls zu einer erheblichen Gesundheitsschädigung eignet (Lackner/Kühl/Kühl StGB, 29. Aufl. 2018, § 224 Rn. 1a; BGH NJW 2006, 1822, 1823). So könne im Einzelfall z.B. auch das Beibringen von Kochsalz in erheblicher Menge (BGH NJW 2006, 1822, 1824) oder das Sprühen von Glasreiniger in die Augen (BGH Beschl. v. 17.2.2010 – 3 StR 10/10) den Tatbestand des § 224 I Nr. 1 Alt. 2 erfüllen, sofern dies dazu geeignet ist, eine erhebliche Gesundheitsschädigung hervorzurufen.
Kritik: Dem wird entgegengehalten, dass es sich bei § 224 um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handele, weshalb allein auf solche Umstände abgestellt werden könne, die zum Zeitpunkt der Handlung vorlagen. Ob es dann später auch tatsächlich zu einer konkreten Gefährdung kommt, müsse daher unbeachtlich sein (Systematischer Kommentar StGB/Wolters, 9. Aufl. 2017, § 224 Rn. 3, 9).
Ansicht 2: Nach einer a.A. sei bereits eine abstrakt-generelle Gefährlichkeit des Mittels ausreichend (SK/Wolters, § 224 Rn. 9). Im Ergebnis sind danach jegliche - noch so geringe - Gesundheitsschäden ausreichend, sofern zu deren Herbeiführung ein abstrakt als gesundheitsschädlich einzustufender Stoff verwendet wurde.
Kritik: Da § 224 eine einfache Körperverletzung gem. § 223 wegen einer gefährlicheren Tatbegehung qualifiziert, kann es nicht darauf ankommen, dass der Stoff bei einem durchschnittlichen Menschen zu einer erheblichen Gesundheitsschädigung führen kann, sondern lediglich auf die konkrete Tatbegehung (Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, § 224 Rn. 12). Konnte der Stoff bei dem Opfer daher - wie im Beispiel - von vornherein nicht zu einer erheblichen Gesundheitsschädigung führen, scheidet eine Strafbarkeit nach § 224 I Nr. 1 Alt. 2 aus.
Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 14.12 Uhr bearbeitet.
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