Ausgestaltung des Finalzusammenhangs zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme
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Raub; Nötigungsmittel; Wegnahme; Finalzusammenhang; Kausalzusammenhang
Problemaufriss
Der Wortlaut des Gesetzes verlangt beim Raub einen Zusammenhang zwischen Nötigungshandlung und Wegnahme. Wie dieser Zusammenhang zwischen Nötigung und Wegnahme bei § 249 konkret beschaffen sein muss, ist jedoch umstritten.
Problembehandlung
Ansicht 1: Zum Teil wird eine objektive Beziehung zwischen dem Einsatz des Nötigungsmittels und der Wegnahme gefordert. Eine solche müsse sich zumindest durch einen Kausalzusammenhang zwischen Nötigung und Wegnahme zeigen (Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 13. Aufl. 2021, § 249 Rn. 25; Systematischer Kommentar StGB/Sinn, 9. Aufl. 2019, § 249 Rn. 29 f.; Seelmann JuS 1986, 201, 203 f.). Demnach müsse gerade die Nötigungshandlung objektiv kausal die Wegnahme fördern oder zumindest erleichtern (Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf Strafrecht BT, 3. Aufl. 2015, § 17 Rn. 11). Unerheblich sei jedoch die tatsächliche Erforderlichkeit des Einsatzes eines qualifizierten Nötigungsmittels. Denn die Kausalität müsse von der Erforderlichkeit klar unterschieden werden. So fördere ein Zwangseinsatz objektiv kausal eine Wegnahme auch dann, wenn er in seiner Intensität das erforderliche Maß übersteige.
Kritik: Nach der ratio legis soll der volle Unrechts- und Schuldgehalt des Raubes als Verbrechen bereits dadurch verwirklicht sein, dass der Täter zur Erreichung der Wegnahme ein qualifiziertes Nötigungsmittel einsetzt (Münchener Kommentar StGB/Sander, 3. Aufl. 2017, § 249 Rn. 24 ff.). Dies bekräftigt auch der in § 249 I Alt. 2 verwendete Ausdruck: "unter Anwendung von ..." und nicht "durch ...". Darüber hinaus wäre ein objektiv kausaler Zusammenhang zwischen Einsatz des Nötigungsmittels und Wegnahme vor Gericht nur schwer nachweisbar.
Ansicht 2: Nach anderer Ansicht soll deshalb eine finale, subjektive Beziehung zwischen Nötigung und Wegnahme genügen (MK/Sander, § 249 Rn. 24 ff.; Fischer StGB,67. Aufl. 2020, § 249 Rn. 6; Satzger/Schluckebier/Widmaier/Kudlich StGB, 5. Aufl. 2021, § 249 Rn. 12; BGH NStZ-RR 1997, 298; BGH NStZ 1999, 510). Demnach sei bereits im objektiven Tatbestand des § 249 die Zwecksetzung ausschlaggebend, die der Täter dem Nötigungsmittel gibt. Der Täter müsse nach seiner Vorstellung demnach das Nötigungsmittel gerade zur Erzwingung der Wegnahme einsetzen (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, 42. Aufl. 2019, Rn. 350). Dabei sei aber unerheblich, ob die Nötigung die Wegnahme gefördert habe oder das Nötigungsopfer den Gewahrsam habe verteidigen müssen. Ebenfalls unerheblich sei, ob der Täter mit dem Nötigungsmittel noch einen weiteren Zweck verfolge. Das Nötigungsmittel dürfe nur nicht als bloße "Begleiterscheinung" Anwendung gefunden haben (MK/Sander, § 249 Rn. 24).
Kritik: Dem wird entgegengehalten, dass Beweisnot kein Auslegungskriterium sein könne. Auch kriminalpolitische Aspekte erfordern eine solche Auslegung nicht, da zumindest ein versuchter Raub vorliegt, wenn festgestellt werden kann, dass der Einsatz des Nötigungsmittels nach der Tätervorstellung (§ 22) ursächlich für die Wegnahme war. Zudem findet sich auch in § 255 (nicht aber in § 253) die Formulierung "unter Anwendung von Drohung", ohne dass dort eine entsprechende Auslegung stattfindet, obgleich die Rspr. den Raub als speziellen Sonderfall der räuberischen Erpressung deutet (SK/Sinn, § 249 Rn. 29).
Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.02 Uhr bearbeitet.
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