Drohung mit einem „erlaubten Übel“
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Drohung; empfindlich; Konnexität; erlaubtes Tun; Übel; § 253
Problemaufriss
Die Drohung bezeichnet das Inaussichtstellen eines (zukünftigen) empfindlichen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben vorgibt (BGHSt 16, 386 (387); 31, 195 (201); Joecks/Jäger StGB, 13. Aufl. 2021, § 253 Rn. 9; TK-StGB/Eisele, 31. Aufl. 2025, § 240 Rn. 9). Empfindlich ist das Übel, wenn sein Inaussichtstellen als geeignet erscheint, den Bedrohten zu dem vom Täter geforderten Verhalten zu motivieren (BGH NStZ 1987, 222 (223)). Dabei entspricht die Tathandlung des Nötigens durch Drohung (sowie die Anwendung mit Gewalt) der des § 240 (Lackner/Kühl/Heger StGB/Heger, 31. Aufl. 2025, § 253 Rn. 2).
Fraglich ist, ob in der Ankündigung, ein erlaubtes Tun vorzunehmen, ein tatbestandsmäßiges Übel vorliegen kann.
Beispiel: A möchte ohne ein Ticket auf das Konzert und sieht, dass sein Freund P an der Kasse sitzt. A sagt: „Jetzt weiß ich, warum Du das Homeoffice so schätzt. Vielleicht weiß das auch bald Deine Chefin. Lässt du mich nicht rein, informiere ich sie über deinen hier heimlich ausgeübten Nebenjob!“ P fürchtet sich, weshalb er A ohne Ticket reinlässt.
Problembehandlung
Ansicht 1: Einer Ansicht nach schützt § 253 StGB nur die rechtlich garantierte Freiheit (Lackner/Kühl/Heger StGB/Heger, § 253 Rn. 1), entsprechend könne in der Ankündigung, ein erlaubtes Tun vorzunehmen, kein tatbestandsmäßiges empfindliches Übel liegen. Zwar sei es für den durch eine Drohung ausgeübten Motivationsdruck unerheblich, ob das Tun oder Unterlassen rechtmäßig oder rechtswidrig ist, für die normative Bewertung der Empfindlichkeit des angedrohten Übels sei dieser Unterschied jedoch maßgeblich. Als nicht empfindlich i.S.d. Vorschrift gelte ein Übel, das aus rechtlichen Gründen hingenommen werden müsse, bzw. dann, wenn von dem Bedrohten aus Rechtsgründen zu erwarten sei, dass er „der Drohung in besonnener Selbstbehauptung“ standhalte (Horn NStZ 1983, 497 (499)). Die durch § 253 StGB geschützte Freiheit hinge somit von den rechtlichen Gegebenheiten ab: Die Ankündigung rechtlich erlaubten Handelns werde zwar als "Übel" empfunden, sie sei aber mangels "Empfindlichkeit" keine taugliche Drohung.
Zum Beispiel: Die Drohung des A, er werde der Chefin von P von dessen Zweitjob erzählen, wäre hiernach kein "empfindliches" Übel.
Kritik: Gegen die erste Ansicht spricht, dass nur weil die Rechtsordnung dem Täter gestattet das erlaubte Tun tatsächlich herbeizuführen, nicht auch automatisch die Drohung mit diesem erlaubten Tun rechtlich legitimiert ist. Entsprechend wird eingewendet, dass durch die rein abstrakte Betrachtung des Inhalts der Ankündigung nicht der Unrechtsgehalt der Handlung als Ganzes in den Blick genommen, die anstößige Verkopplung von Mittel und Zweck außenvorgelassen und somit eine unvollständige Bewertung vorgenommen wird (Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen Strafrecht BT I, 11. Aufl. 2019, § 13 Rn. 26).
Dagegen spreche weiterhin auch § 154c StPO, dieser setzt voraus, dass eine Erpressung auch durch das Drohen mit der Offenbarung einer Straftat begangen werden kann.
Ansicht 2: Nach der herrschenden Meinung kann in der Ankündigung, ein erlaubtes Verhalten vorzunehmen, ein tatbestandsmäßiges Übel liegen (vgl. nur RGSt 64, 379 (383); NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, 6. Aufl. 2023, § 253 Rn. 9). Die Frage, wann ein Übel „empfindlich“ sei, lasse sich eben nicht ganz von dem Unrechtsgehalt der Handlung als Ganzes, also der "Verkoppelung von Mittel und Zweck", lösen (Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen, Strafrecht BT I, § 13 Rn. 26). Bestehe zwischen dem angedrohten (und erlaubten) Übel und der erstrebten Gegenleitsung kein Konnex bzw. "innerer Zusammenhang", so sei die Drohung tatbestandgemäß.
Zu den drohungsrelevanten Nachteilen zählen beispielsweise die rechtmäßige vorläufige Festnahme nach § 127 StPO, das Erstatten der begründeten Anzeige einer Straftat oder der Abbruch geschäftlicher Beziehungen, nicht jedoch der Abbruch freundschaftlicher Beziehungen (BGH NStZ 1982, 287; NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, § 253 Rn. 9).
Zum Beispiel: Indem kein Zusammenhang zwischen dem Unterlassen der Mitteilung von A an die Arbeitgeberin von P (Leistung) und dem Einlass zum Konzert (Gegenleistung) besteht, drohte A mit einem „empfindlichen Übel“ i.S.d. § 253 I StGB.
Kritik: Gegen die zweite Ansicht wird wiederum vorgebracht, dass ein zu individualistischer Maßstab zum überspitzten Ergebnis führen kann: bedroht ist, wer sich bedroht fühlt (vgl. Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen Strafrecht BT I, 11. Aufl. 2019, § 13 Rn. 25), ensprechend sei das richtige Maß an Konnexität schwer zu bestimmen.
Die Seite wurde zuletzt am 18.11.2025 um 16.12 Uhr bearbeitet.
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