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Erfordernis einer Vermögensverfügung bei den §§ 253, 255

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### Tags Erpressung; Nötigungserfolg; Erfordernis einer Vermögensverfügung; Exklusivverhältnis; Verursachungstheorie; Selbstschädigungstheorie; Wegnahme; Duldung; vis absoluta; vis compulsiva; Abgrenzung zu [§ 249](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__249.html); Spezialität; Gebrauchsanmaßung ### Problemaufriss Die Erpressung setzt voraus, dass das Opfer durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt wurde. Strittig ist, inwiefern das abgenötigte Verhalten eine Vermögensverfügung darstellen muss. **Beispiel:** A zerrt B aus seinem Wagen, um mit diesem eine Spritztour zu unternehmen und das Auto anschließend vor einer Polizeistation abzustellen. Hat sich A gem. [§§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html), [255](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__255.html) strafbar gemacht? ### Problembehandlung **Ansicht 1:** Die [§§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html), [255](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__255.html) verlangen keine Vermögensverfügung auf Opferseite. Ausreichend ist jede durch Nötigungsmittel verursachte Vermögensschädigung (Nomos Kommentar StGB/<em>Kindhäuser</em>, 5. Aufl. 2017, § 253 Rn. 17; *Schünemann* JA 1980, 486 ff.; *Seelmann* JuS 1982, 914 f.). Es genügt daher auch, wenn der Täter sein Opfer durch vis absoluta oder vis compulsiva zwingt, eine Wegnahme zu dulden. Jeder Raub stellt damit zugleich eine Erpressung dar, die jedoch hinter [§ 249](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__249.html) als lex specialis zurücktritt. Die Abgrenzung erfolgt nach dem äußeren Erscheinungsbild. Stellt sich die Tat als Wegnahme dar, so liegt [§ 249](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__249.html) vor, stellt sie sich hingegen eher als Hingabe dar, so ist eine Erpressung anzunehmen (Studienkommentar, 13. Aufl. 2021, § 255 Rn. 5) **Kritik:** [§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html) weise eine parallele Struktur zu [§ 263](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__263.html) auf. Beides seien Selbstschädigungsdelikte, die sich nur darin unterschieden, dass die Verfügung beim einen durch Täuschung erschlichen, beim anderen durch Nötigung erzwungen werde. Damit seien jedoch die [§§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html), [255](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__255.html) als Selbstschädigungsdelikte von [§ 249](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__249.html) als Fremdschädigungsdelikt abzugrenzen. Dieses Exklusivverhältnis zeige sich schon in der Überschrift des 20. Abschnitts, der Raub und Erpressung als gleichrangig nebeneinander nenne. Auch die Gesetzessystematik spreche dagegen, [§ 249](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__249.html) als lex specialis anzusehen, denn dann würde die Grundnorm ([§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html)) im Gesetz nicht nach der Spezialnorm (demnach § 249) stehen, sondern vielmehr davor. Zudem werde dadurch die Entscheidung des Gesetzgebers, die Gebrauchsanmaßung i.R.d. [§ 249](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__249.html) mangels Zueignungsabsicht straflos zu lassen, durch einen Rückgriff auf [§§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html), [255](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__255.html) umgangen (Schott, GA 2002, 666). **Ansicht 2:** Das dem Erpressten abgenötigte Verhalten muss sich als Vermögensverfügung darstellen (Schönke/Schröder/<em>B\*\*osch</em> StGB, 30. Aufl. 2019, § 253 Rn. 8; Münchener Kommentar StGB/<em>Sander</em>, 4. Aufl. 2021, § 253 Rn. 13). **Kritik:** Ein solches Erfordernis werde vom Wortlaut des [§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html) nicht gefordert. Vielmehr spreche die mit [§ 240](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__240.html) übereinstimmende Formulierung dafür, dass jedes Verhalten ausreiche. Zudem führe diese Ansicht zu Strafbarkeitslücken. Entfalle eine Bestrafung gem. [§ 249](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__249.html) mangels Zueignungsabsicht, so könne nicht auf [§§ 253](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__253.html), [255](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__255.html) zurückgegriffen werden. Eine alleinige Bestrafung aus [§ 240](https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__240.html) werde dem gesteigerten Unrechtsgehalt einer gewaltsamen Gebrauchsanmaßung allerdings nicht gerecht, insbesondere auch deswegen, weil die vis absoluta regelmäßig die gravierende Gewaltform darstelle (NK-StGB/<em>Kindhäuser</em>, vor § 249, Rn. 46; Studienkommentar, 13. Aufl. 2021, § 255 Rn. 6). <br> *** ### Hinweis *Liebe Nutzer:innen,* *zu diesem Problemfeld haben wir formale Hinweise und Verbesserungsvorschläge erhalten. Diese haben wir ausführlich überprüft und eingearbeitet.* *Vielen Dank für Ihre wertvollen Beiträge und Unterstützung!*

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