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Zeitliches Verhältnis von Vortat und Hehlerei







Tags


Hehlerei; Absatzerfolg; Vortat; Anschlussdelikt; Besitz; Bösgläubigkeit; Diebstahl; Unterschlagung


Problemaufriss


Nach der ganz herrschend vertretenen Perpetuierungstheorie ist das Unrecht der Hehlerei insbesondere in der Aufrechterhaltung der zuvor durch eine andere Tat rechtswidrig geschaffenen Vermögenslage durch einvernehmliches Zusammenwirken mit eben jenem Vortäter zu erkennen (Rengier Strafrecht BT I, 21. Aufl. 2019, § 22 Rn. 2).


Problematisch sind vor diesem Hintergrund diejenigen Fälle, in denen Vortat und Hehlerei möglicherweise in einer Handlung zusammenfallen.


Beispiel: L hat sich bei B Gartenwerkzeug geliehen. Er verkauft und übergibt es dem H, der in alles eingeweiht ist. Strafbarkeit des H nach § 259? L hat hier den Tatbestand Unterschlagung nach § 246 erfüllt; der Zueignungswille manifestiert sich dadurch, dass L dem H das Werkzeug übergibt.


Problembehandlung


Ansicht 1: Nach herrschender Ansicht könne der Handelnde bei zeitlichem Zusammenfallen von Vortat und Hehlerei nicht nach § 259, sondern allenfalls wegen Beteiligung an der Vortat bestraft werden (BGH NJW 1960, 541, 542; Münchener Kommentar StGB/Maier, 3. Aufl. 2017, § 259 Rn. 49). Im Zeitpunkt der Hehlerei müsse die Vortat bereits tatbestandlich vollendet (nicht zwingend tatsächlich beendet!) sein. Eine Ausnahme gelte nur, sofern der Täter bereits mit der lediglich versuchten Vortat die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache erlangt hat (BGH StV 1996, 81, 82). Schuldhaft müsse der Vortäter dabei aber nicht gehandelt haben (MüKo StGB/Maier, § 259 Rn. 22).


Im Beispielsfall begeht H nach dieser Sukzessivitätstheorie keine Hehlerei, sondern eine mittäterschaftliche Unterschlagung nach §§ 246, 25 II oder eine Beihilfe zur Unterschlagung nach §§ 246, 27.


Kritik: Auch im solchen Fällen lässt sich der Sachverhalt in zwei Elemente trennen: Erstens die Begründung von Zueignungsunrecht in Form eigenmächtigen Zugriffs auf die Sache. Zweitens die Perpetuierung eben diesen Unrechts durch die Verschiebung der Sache zum Erwerber. Der Unrechtsgehalt sei in beiden Fällen der gleiche (vgl. OLG Stuttgart NJW 1960, 834).


Ansicht 2: Andere verzichten auf das Erfordernis einer zeitlichen Zäsur zwischen Vortat und Hehlerei. Es soll also ausreichen, dass die Übertragung der Sache auf den Hehler bereits die Vortat darstellt. Hierdruch würden zufällige Ergebnisse vermieden (Otto Strafrecht BT, 7. Aufl. 2005, § 58 Rn. 8; Lackner/Kühl/Kühl StGB, 29. Aufl. 2018, § 259 Rn. 6; OLG Stuttgart NJW 1960, 834).


Nach dieser Ansicht hätte sich H im Beispielsfall gem. § 259 strafbar gemacht.


Kritik: Hiergegen spricht zum einen der klare Wortlaut des § 259, der voraussetzt, dass jemand die Sache bereits "gestohlen bzw. erlangt hat ". Zum anderen aber auch der Normzweck nach der oben genannten Perpetuierungstheorie: Eine rechtswidrige Besitzlage kann nur dann aufrechterhalten werden, wenn sie bereits vor der Hehlereihandlung vom Vortäter geschaffen wurde (Beck'scher Online-Kommentar StGB/Ruhmannseder, 44. Ed. 01.08.2019, § 259 Rn. 14). Ferner werden durch den Verzicht auf eine zeitliche Zäsur die Grenzen zwischen Vor- und Nachtatverhalten verwässert (Rengier Strafrecht BT I, § 22 Rn. 15).















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.22 Uhr bearbeitet.



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