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Schaden beim Wettbetrug (Quotenschaden)







Sportwette; Gewinnquote; Wettanbieter; Hoyzer; Gefährdungsschaden; ODDSET; Manipulation; Spielmanipulation


Problemaufriss


Ein Vermögensschaden ist dann zu bejahen, wenn ein Vergleich der Vermögenslagen vor und nach der Vermögensverfügung einen negativen Saldo ergibt. So einfach diese Formel auf den ersten Blick zu sein scheint, so kompliziert wird ihre Anwendung in den Fällen des Wettbetrugs.


Beispiel:  Wettanbieter A garantiert jedem Wettenden, der auf den Sieg des B-Vereins im Fußballspiel gegen den C-Verein setzt, eine Gewinnquote von 1:5 (also das fünffache des Einsatzes), sofern denn der B-Verein siegt. D vereinbart insgeheim mit dem ihm bekannten Schiedsrichter der Partie E, dieser solle den Spielverlauf durch seine Aktivitäten derart beeinflussen, dass der B-Verein am Ende gewinnt. D setzt sodann bei A auf den Sieg von B. Tatsächlich gewinnt der B-Verein das Spiel, nachdem E dem B-Verein mehrere ungerechtfertigte Strafstöße zusprach. A zahlt dem D den Gewinn aus. Strafbarkeit des D nach § 263 I?


In diesem Zusammenhang ist bereits fraglich, inwiefern eine Täuschung durch den wettenden Täter erfolgt (siehe hierzu das gesonderte Problemfeld). Darüber hinaus stellt sich die Schadensfrage: Dabei ist zunächst der potenziell Geschädigte zu ermitteln (abhängig von der Art der Wette) und in einem nächsten Schritt zu klären, ob und wenn ja in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist.


Problembehandlung


Für die Frage, wer durch die Tat in seinem Vermögen potenziell geschädigt wird, ist zwischen sog. ODDSET-Wetten und TOTO-Wetten zu unterscheiden. Bei TOTO-Wetten wird von vornherein ein bestimmter Teil des Wetteinsatzes vom Wettanbieter einbehalten und die Wettgewinner lediglich aus dem anderen Teil ausbezahlt. Bei ODDSET-Wetten hingegen werden im Vorhinein Gewinnquoten festgelegt, die bei Gewinn direkt aus dem Vermögen des Wettanbieters ausbezahlt werden. Bei Letzteren (wie im Beispielsfall) erleidet damit bei einem Betrug regelmäßig der Wettanbieter einen Schaden, während bei TOTO-Wetten die Mitwettenden geschädigt werden (Dreiecksbetrug, vgl. Rengier Strafrecht BT I, 22. Aufl. 2020, § 13 Rn. 219).


Im genannten Beispiel könnte daher ein Schaden bei dem Wettanbieter eingetreten sein; fraglich ist, ob dies der Fall ist:


Für die Frage, ob ein solcher Schaden alsdann entstanden ist und wenn ja, in welcher Höhe, ist danach zu differenzieren, ob die Gewinnsumme bereits an den Wettenden ausbezahlt wurde, bevor die Täuschung bekannt wurde, oder nicht.


Zunächst gilt es daher die Konstellation zu betrachten, dass die Manipulation erkannt wird, bevor der Gewinn ausgezahlt wird.


Ansicht 1:  Das LG Berlin hat in diesem Fall die Möglichkeit eines Gefährdungsschadens mit der Erwägung bejaht, dass das Risiko des ungewissen Ergebnisses zulasten des Wettanbieters (bei ODDSET-Wetten wie im Beispielsfall) aufgrund der Manipulation verschoben und damit dessen Vermögen mit Vertragsschluss bereits gefährdet werde (Urteil d. LG Berlin v. 17.11.2005 – (512) 68 Js 451/05).


Kritik:  Die Gewinnauszahlung ist trotz der Manipulation weiterhin vom zufälligen Ausgang des Spiels abhängig. Zwar wurde der Eintritt des gewünschten Ergebnisses durch die Manipulation wahrscheinlicher, nicht jedoch sicher. Von daher kann nicht schon mit Wettvertragsschluss ein Gefährdungsschaden vorliegen (Kutzner JZ 2006, 712, 717).


Ansicht 2:  In der „Hoyzer-Entscheidung“ (BGH NStZ 2007, 151) ist der BGH dem mit der Figur des sog. Quotenschadens entgegengetreten. Dabei geht er davon aus, dass bei ODDSET-Wetten (also Wetten mit festen Gewinnquoten) die Quote den „Verkaufspreis“ der Wettchance darstellt. Mit jener Quote wird bestimmt, mit welchem Faktor der Einsatz im Gewinnfall multipliziert wird. Die Manipulation des Spiels hätte das Wettrisiko nunmehr zu Gunsten des Täuschenden verschoben, sodass die dem Vertragsschluss zugrundeliegende Quote nicht mehr dem Risiko entspräche, das jeder Wettanbieter seiner kaufmännischen Kalkulation zugrunde lege. Die höhere Chance auf den Wettgewinn (und damit z.B. im Ergebnis ein Quotenwert von 1:10) sei damit wesentlich mehr wert, als der Täuschende gezahlt habe (wie im Beispiel 1:5).


Maßgeblich sei damit allein, dass die eingeräumte Gewinnchance aus dem Vermögen des Getäuschten gemessen am Wetteinsatz zu hoch sei. Der Täuschende verschaffe sich eine höhere Gewinnchance, als der Wettanbieter ihm für diesen Preis (bei richtiger Risikoschätzung) „verkaufen“ würde. Die Differenz zwischen der täuschungsbedingt eingeräumten und der in Kenntnis der wahren Lage kalkulierten Gewinnquote bilde sodann den Quotenschaden. Jener müsse nicht genau beziffert werden; eine Bewertung relevanter Risikofaktoren reiche aus (zum Ganzen: BGH NStZ 2007. 151, 154).


Kritik: Zunächst ist hiergegen anzuführen, dass die Manipulation von Schiedsrichtern (oder Spielern) nicht einfach die ermittelte Quote um einen bestimmten Zahlenwert verändert. Vielmehr wäre die Wette bei Kenntnis der Manipulation schlicht vom Markt genommen, nicht aber zu einer niedrigeren Quote angesetzt worden (Münchener Kommentar StGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, § 263 Rn. 598). Im Übrigen handelt es sich bei einer Wettquote um ein komplexes Konstrukt: Der Wettanbieter greift zur Bestimmung einer solchen auf mehrere unterschiedliche Faktoren zurück, z.B. Einschätzung der Wettenden, eventuelle besondere Anreize, Wettbüro-Aufschläge, Wahrscheinlichkeit des Spielausgangs etc. Das prognostizierte Spielergebnis stellt somit nur einen Teilaspekt der Quote dar.


Nachdem das BVerfG (BVerfGE 126, 170) mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG die genaue Bezifferung eines Schadens zur Voraussetzung für die Untreuestrafbarkeit erklärt hat, rückte der BGH von dieser Argumentation auch im Rahmen des Sportwettbetrugs ab. Er stellt nunmehr stattdessen darauf ab, dass der Täter durch seine Manipulation seine Gewinnwahrscheinlichkeit und damit den Geldwert seines Anspruchs auf Auszahlung des Gewinns erhöht, ohne dass gleichzeitig der Anspruch des Wettanbieters auf den Wetteinsatz sein erhöhtes Haftungsrisiko noch kompensiert (BGHSt 58, 102 = NJW 2013, 883). Die Schadensermittlung soll dann durch eine Saldierung der sich aus dem Wettvertrag für beide Seiten ergebenden Verpflichtungen vorgenommen werden.


Auch dabei wird jedoch eine genaue Bezifferbarkeit schwierig bleiben (vgl. Rengier Strafrecht BT I, § 13 Rn. 221; Greco NZWiSt 2014, 334).


Erkennt der Wettanbieter die Manipulation hingegen erst nach der Gewinnauszahlung, so gilt das Folgende:


Ansicht der Rspr.:  Wird die Manipulation erst nach Auszahlung des Gewinns erkannt, liegt nach der Rechtsprechung des BGH ein Erfüllungsschaden vor, der sich aus der Differenz zwischen Einsatz und Auszahlungssumme ergebe. Denn, so der BGH, der Wettanbieter hätte eine manipulierte Wette ja überhaupt nicht angenommen, sodass zum einen der erlittene Schaden in Höhe des gesamten Gewinns bestehe. Zum anderen sei es aus diesem Grund auch unbeachtlich, ob sich die Manipulation tatsächlich auf den Spielverlauf ausgewirkt habe (BGHSt 58, 102, 110; Rengier Strafrecht BT I, § 13 Rn. 222).


Kritik an der Rspr.:  Das Argument, der Wettanbieter hätte die Wette in Kenntnis der Manipulation ja ohnehin nicht angenommen, erweist sich im Ergebnis als bloßer Verweis auf dessen Dispositionsfreiheit. Diese ist jedoch vom dem Vermögensschutz dienenden Betrugstatbestand nicht geschützt (MK StGB/Hefendehl, § 263 Rn. 601).


Darüber hinaus scheint die Vorgehensweise des BGH widersprüchlich: Wurde der spätere Gewinn nämlich noch nicht ausbezahlt, so soll der spätere Ausgang der Wette für die Annahme des Vermögensschadens unbeachtlich sein (s.o.). Wurde eine solche Auszahlung jedoch vorgenommen, so soll nunmehr ausschließlich auf diese abgestellt werden. Dies überzeugt nicht, denn es kommt beim Wettvertrag als sog. Risikogeschäft nicht darauf an, wie sich der Gegenstand des Vertrages nach Vertragsschluss weiterentwickelt (wie also z.B. das Fußballspiel ausgeht). Dass der Wettausgang für die Schadensbezifferung daher kein Faktor sein kann, zeigt zudem die Überlegung, dass die Wette auch ohne die Manipulation denselben Ausgang hätte nehmen können (MK StGB/Hefendehl, § 263 Rn. 601; vgl. Schlösser NStZ 2013, 629, 631 f.).


Ansicht 2:  Vorzugswürdig erscheint daher auch in der Konstellation, dass der Gewinn bereits ausgezahlt wurde, eine Bewertung der wechselseitigen Forderungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorzunehmen. Der Schaden ist also in der Differenz zwischen dem Saldo der gegenseitigen Ansprüche von Wettanbieter und Wettendem bei manipuliertem Spiel mit dem Saldo der gleichen Ansprüche bei einem nicht manipulierten Spiel zu erkennen. Letzteres lässt sich dabei nur über einen konkreten Schadensnachweis durch einen Sachverständigen ermitteln. Ist ein solcher nicht möglich, muss – den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechend – eine Betrugsstrafbarkeit ausscheiden (MK StGB/Hefendehl, § 263 Rn. 606 f.).


Zur Vertiefung:  MK StGB/Hefendehl, § 263 Rn. 598 ff.; Greco NZWiSt 2014, 334 ff.















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.36 Uhr bearbeitet.



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