Dreiecksbetrug
Tags
Mittelbare Täterschaft; Vermögensverfügung; Sachbetrug; Forderungsbetrug; Verfügender; Geschädigter; Dritter; Befugnis; Ermächtigung; Lager; Näheverhältnis; Prozessbetrug
Problemaufriss
Nach ganz h.M. stehen Diebstahl (§ 242) und Betrug (§ 263) in einem Exklusivitätsverhältnis (siehe zu dieser Frage im Zwei-Personen-Verhältnis das Problemfeld hier). Ebenfalls anerkannt ist die Tatsache, dass beim Betrug zwar Getäuschter und Verfügender, nicht aber Verfügender und Geschädigter identisch sein müssen.
Daraus ergibt sich ein Abgrenzungsproblem in Konstellationen, in denen ein Dritter über Gegenstände des Geschädigten verfügt. Wann liegt in solchen Fällen ein Diebstahl in mittelbarer Täterschaft (§§ 242, 25 I Var. 2), wann ein (Sach-)Betrug (§ 263) vor?
Problembehandlung
Weitgehender Konsens besteht darüber, dass zwischen dem Dritten und dem Geschädigten ein gewisses Näheverhältnis zu fordern ist und dass dieses zeitlich vor der Einwirkung durch den Täter bestanden haben muss.
Die Frage, wie dieses Näheverhältnis ausgestaltet sein muss, ist allerdings umstritten.
Ansicht 1: Eine Meinung fordert lediglich, dass zwischen Drittem und Geschädigtem ein faktisches Näheverhältnis besteht (Dreher JR 1966, 29, 30; Kindhäuser/Nikolaus JuS 2006, 293, 294; Nomos Kommentar StGB/Kindhäuser, 5. Aufl. 2017, § 263 Rn. 212). Ein solches sei anzunehmen, wenn der Getäuschte bereits vor der Täuschungshandlung dem Verfügungsgegenstand näher stand als der Geschädigte.
Kritik: Um dem Charakter des Betruges als Selbstschädigungsdelikt gerecht zu werden, kann es nicht genügen, dass ein Dritter die faktische Möglichkeit besitzt, in das Vermögen eines Anderen einzugreifen. Von einer Selbstschädigung kann lediglich dann gesprochen werden, wenn die Vermögensdisposition auch dem Willen des Geschädigten zuzurechnen ist. Außerdem taugt das Kriterium nicht zur Abgrenzung vom Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, da auch dieser schon aus logischen Gründen voraussetzt, dass der Dritte zur Einwirkung auf die fremde Sache im Stande war (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT 2, 42. Aufl. 2019, Rn. 644).
Ansicht 2: Die diesem Ansatz ähnliche Lagertheorie verfolgt einen restriktiveren, z.T. normativen Ansatz. Entscheidend sei, dass der Dritte dem "Lager" des Geschädigten zuzuordnen ist (BGH NStZ 1997, 32 f.; Schönke/Schröder/Perron StGB, 30. Aufl. 2019, § 263 Rn. 66; Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT 2, Rn. 645). Objektiv wird eine Stellung als Mitgewahrsamsinhaber oder Gewahrsamshüter gefordert, aus Sicht des Dritten müsse die Verfügung im Interesse des Gewahrsamsinhabers erfolgen.
Kritik: Zwar nimmt diese Theorie eine normative Betrachtung vor und schafft damit einen notwendigen Konnex zwischen objektiver und subjektiver Handlungsfacette, jedoch ermöglicht der Begriff des "Lagers" keine weitere Konkretisierung der Anforderungen und erscheint deshalb mit Blick auf Art. 103 II GG zu unbestimmt (vgl. Münchener Kommentar StGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, § 263 Rn. 357).
Ansicht 3: Nach der objektiven Befugnis- oder Ermächtigungstheorie nimmt der getäuschte Dritte eine Verfügung dann vor, wenn er objektiv-rechtlich dazu ermächtigt bzw. befugt ist (Systematischer Kommentar StGB/Hoyer, § 263 Rn. 142; Roxin/Schünemann JuS 1969, 374 ff.; Samson JA 1978, 566 f.). Das wäre dann der Fall, wenn der Dritte etwa rechtsgeschäftlich bevollmächtigt, beauftragt oder als Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter kraft Gesetzes dispositionsbefugt ist.
Kritik: Diese Ansicht berücksichtigt zwar die Herrschaftsbeziehung des Dritten zur Sache über die zivilrechtliche Befugnis, ist aber dahingehend zu eng, dass bei einer lediglich objektiven Betrachtung gerade die typischen Fälle der vorgetäuschten Verfügungsbefugnis aus dem Dreiecksbetrug herausfallen (vgl. Münchener Kommentar StGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, § 263 Rn. 359 ff.).
Ansicht 4: Die subjektive Befugnistheorie fordert daher, dass der Dritte glaubt, vom Geschädigten objektiv berechtigt zu sein und sich bei seiner Verfügung innerhalb dieser Befugnis wähnt (Münchener Kommentar StGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, § 263 Rn. 361).
Kritik: Gegen diese Theorie wird eingewandt, dass sie mit ihrer rein rechtlichen Betrachtungsweise am wirtschaftlich geprägten Vermögensbegriff der herrschenden Meinung vorbeigehe (Hohmann/Sander Strafrecht BT II, 4. Aufl. 2021, § 44 Rn. 102). Sie beachte nicht ausreichend die Eigenständigkeit strafrechtlicher Begriffsbildung. Auch sei im Einzelfall nicht immer klar, wie weit eine tatsächliche Ermächtigung reiche und führe so zu keiner gewinnbringenden Konkretisierung (Münchener Kommentar StGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, § 263 Rn. 359).
Hinweis
Liebe Nutzer:innen,
zu diesem Problemfeld haben wir formale Hinweise und Verbesserungsvorschläge erhalten. Diese haben wir ausführlich überprüft und eingearbeitet.
Vielen Dank für Ihre wertvollen Beiträge und Unterstützung!
Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.48 Uhr bearbeitet.
Fragen und Anmerkungen: