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Vermögensbegriffe







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§ 263; Betrug; Vermögen; Vermögensbegriff; wirtschaftlich; ökonomisch; juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff; normativ-ökonomischer Vermögensbegriff


Problemaufriss


Der Begriff des strafrechtlich geschützten Vermögens ist umstritten. Vor allem im Rahmen der Schadensermittlung beim Betrug, aber etwa auch bei einer Erpressung oder einer Untreue kann sich die Frage stellen, was im Einzelnen dem strafrechtlichen Vermögensbegriff zu subsumieren ist.


Problembehandlung


Ansicht 1: Nach dem rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff besteht das Vermögen in der Summe aller geldwerten Güter, über die eine Person faktisch verfügen kann (BGH NJW 1962, 973; BGH NStZ 2002, 33; Mitsch JuS 2003, 122, 123). Als Vermögensgegenstand kommt nach dieser Ansicht alles in Betracht, mit dem im Wirtschaftsleben gehandelt werden kann, also auch widerrechtlich erlangte Positionen.


Kritik:  Dadurch, dass allein auf die faktische Zugriffsmöglichkeit abgestellt wird, bestehen Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des Vermögensbegriffs. Nicht immer wird klar sein, wer die "Macht" über einen Vermögensgegenstand ausübt. Zudem besteht die Gefahr der Entstehung von Wertungswidersprüchen, da auch rechtlich missbilligte Positionen durch einen faktischen Begriff dem Rechtsschutz unterworfen werden (MüKo StGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, § 263 Rn. 481ff.).


Ansicht 2: Die herrschende Lehre favorisiert einen juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff. Dieser sieht im Vermögen die Gesamtheit aller wirtschaftlich relevanten Positionen, soweit sie nicht von der Rechtsordnung missbilligt werden (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, 43. Aufl. 2020, Rn. 532; Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht BT I, 10. Aufl. 2009, § 41 Rn. 99; Schönke/Schröder/Perron StGB, 30. Aufl. 2019, § 263 Rn. 84 ff.; Lackner/Kühl/Kühl StGB, 29. Aufl. 2018, § 263 Rn. 33 ff.).


Kritik:  Nach dieser Ansicht entstehen sachlich unbegründete Widersprüche, wenn etwa der Dieb in seinem durch verbotene Handlung erlangten Gewahrsam an der Beute gegen Wegnahme durch §§ 242, 249 StGB geschützt ist, aber gegenüber betrügerischen oder erpresserischen Angriffen schutzlos bleibt. Im Verhältnis von Rechtsbrechern untereinander würde betrügerisches und erpresserisches Verhalten zugelassen und damit ein strafrechtsfreier Ganovenraum geschaffen. Zu beachten ist freilich, dass die §§ 240 ff.261 weiterhin anwendbar bleiben (vgl. Fischer StGB, 67. Aufl. 2020, § 263 Rn. 109).


Ansicht 3:  Nach dem normativ-ökonomischen Vermögensbegriff ergibt sich das Vermögen aus der Möglichkeit einer Person, frei über die ihr von der Rechtsordnung zugebilligten Potenziale wirtschaftlicher Betätigung mit Hilfe (meist zivil-)rechtlicher Durchsetzungsmöglichkeiten zu verfügen und externen Störfaktoren effektiv begegnen zu können (MüKo StGB/Hefendehl§ 263 Rn. 516ff.). Die entgegengebrachte Kritik, nicht hinreichend konkret zu sein, greift nicht: Es kann lediglich die Konstituierung über das (Zivil-)Recht, konkretisiert durch das Bilanzrecht, die Potenziale wirtschaftlicher Betätigung sowie die relevanten Störfaktoren homogen bestimmen, ohne dabei dem Recht naiv oder der wirtschaftlichen Macht archaisch den Vorzug zu geben (MüKo StGB/Hefendehl § 263 Rn. 518).















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.49 Uhr bearbeitet.



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