Erfordernisse an das Tatbestandsmerkmal "Erschleichen" in § 265a
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Erschleichen; unbefugte Inanspruchnahme; täuschungsähnlich; betrugsähnlich
Problemaufriss
Unter "Erschleichen" versteht man grundsätzlich jede Form der unbefugten Inanspruchnahme. Dies würde jedoch zu einer uferlosen Ausweitung des Tatbestandes führen, weshalb dieses Tatbestandsmerkmal u.U. der Eingrenzung bedarf.
Problembehandlung
Ansicht 1: Nach dieser Auffassung erfordere das Merkmal entweder die Umgehung von Kontrollmaßnahmen oder dass sich der Täter „in äußerlich erkennbarer Weise" mit dem Anschein der Ordnungsgemäßheit umgebe (So die Rspr, OLG Stuttgart NJW 1990, 924; OLG Hamburg NStZ 1991, 587, 588; OLG Düsseldorf NJW 2000, 2120; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2001, 269; zust. Stiebig Jura 2003, 699).
So sieht die Rspr bereits das bloße Schwarzfahren als nach § 265a I Var. 3 strafbar an, umgebe sich der Täter doch hier mit dem Anschein der Ordnungsgemäßheit.
Kritik: Das Kriterium des Wahrens des Anscheins der Ordnungsmäßigkeit nach außen greift sehr weit. Schon begrifflich bedeutet „erschleichen" zu Unrecht, durch heimliches, listiges Verhalten an etwas zu kommen, was eine gewisse zusätzliche Manipulation erfordert. Lässt man den Anschein der Ordnungsgemäßheit ausreichen, so liegt ein Erschleichen immer schon dann vor, wenn die fehlende Entrichtung des Entgeltes nicht offengelegt wird. Das wiederum führt dazu, dass dem Merkmal des Erschleichens - wie auch nach Ansicht 1 - jede einschränkende Bedeutung genommen würde (MüKo StGB/Hefendehl, § 265a Rn. 117, 112).
Ansicht 2: Nach anderer Ansicht sei es mit dem Wortlaut des § 265a besser zu vereinbaren, dass der Täter ein über den Anschein der Ordnungsmäßigkeit hinausgehendes Verhalten an den Tag lege. Wegen der Ähnlichkeit zur Täuschung i.S.v. § 263 und Zueignung i.S.v. § 246 interpretiert man den Gehalt des Erschleichens deshalb in einer Manifestation der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten. Diese Manifestation liege in einer Umgehung oder Ausschaltung von Kontrollen oder Sicherheitsvorkehrungen (Alwart NStZ 1991, 589; Ellbogen JuS 2005, 20 f.; Studienkommentar StGB/Joecks/Jäger, 12. Aufl. 2018, § 265a Rn. 10). Eingrenzungen müssten bzgl. des jeweiligen Leistungsgegenstands vorgenommen werden.
Beim Automatenmissbrauch (1. Alt.) sei daher erforderlich, dass der Mechanismus in ordnungswidriger Weise, d.h. durch Überlisten der technischen Sicherungen gegen eine unentgeltliche Inanspruchnahme, betätigt wird.
Beim Erschleichen von Leistungen des Telekommunikationsnetzes (2. Alt.) wird ebenfalls die Umgehung einer gegen unerlaubte Benutzung geschaffenen Sicherungsvorkehrung erwartet.
Beim Erschleichen von Beförderungsleistungen (3. Alt.) und dem Zutritt zu einer Veranstaltung oder Einrichtung (4. Alt.) sei hingegen das unbefugte, unentgeltliche Sichverschaffen der Leistung nicht ausreichend. Vielmehr sei hier erforderlich, dass sich der Täter durch Umgehung oder Ausschaltung von Kontrollmaßnahmen in den Genuss des fraglichen Vorteils bringt.
Kritik: Das Kriterium der "Manipulation" hängt oftmals, gerade im Hinblick auf Massenleistungen, von deren ordnungsgemäßem Zustand ab und wird damit zur bloßen Ordnungswidrigkeit. Technische Zufälligkeiten sanktioniert das StGB aber für gewöhnlich nicht.
Ansicht 3: Nach einer weiteren Ansicht enthält das Merkmal des Erschleichens folgende vier Bedingungen:
Zusammenfassend erschleicht sich ein Täter die Leistung, die Beförderung oder den Zutritt dann, wenn er diese durch die Überwindung oder das Umgehen eines existierenden Hindernisses, ohne dabei die Funktion des Hindernisses (in gewalttätiger Weise) zu beseitigen, (teilweise) unentgeltlich erlangt und dabei seine Absicht, das Geld nicht zu entrichten, nicht offenlegt (Münchener Kommentar StGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, § 265a Rn. 128).
Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 9.52 Uhr bearbeitet.
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