§ 267 StGB: Gebrauchen durch Vorlage einer Kopie?
Tags
Urkundenfälschung; Gebrauchen; Kopie; kopieren; Fotokopie; verwenden
Problemaufriss
Fall: B hat schon seit Längerem keine Lust mehr, täglich zur Arbeit zu erscheinen und stellt eine täuschend echte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung („Krankenschein“) her, die die Ärztin A als Ausstellerin ausweist. Da B von ihrer Arbeit sehr überzeugt ist, möchte sie diese für künftige Aktionen vervielfältigen. Und so kopiert sie ihre falsche Bescheinigung und legt das als Kopie erkennbare Schreiben der Personalabteilung vor.
Das Herstellen des Krankenscheins erfüllt den Tatbestand des § 267 I Var. 1 StGB. Das Anfertigen der Kopie hingegen nicht. Denn die h.M. nimmt an, dass eine Kopie keine Urkunde darstellt, sondern lediglich eine Abschrift. Grund dafür ist, dass Kopien nur auf das Vorhandenseins eines Originals hinweisen, ohne dass sie den Aussteller dieser Erklärung erkennen lassen. Zudem kommt ihnen aufgrund ihrer leichten Fälschbarkeit nicht die Beweiskraft einer Urkunde zu (Reniger, Strafrecht BT II, 24. Aufl. 2023, § 32 Rn. 38). Eine Ausnahme hiervon macht die h.M. dann, wenn die Kopie der Originalurkunde so ähnlich ist, dass eine Eigenschaft als originale Urkunde nicht ausgeschlossen werden kann und der Täter diesen Anschein vorsätzlich erwecken möchte.
Zum Fall: Allein durch das Erstellen der Kopie liegt somit kein Herstellen i.S.d. § 267 I Var. 1 StGB vor, da die Kopie nicht den Anschein eines Originals erweckt (§ 267 I Var. 1 StGB wäre zu bejahen, wenn die Kopie den Anschein einer originalen Urkunden erwecken würde).
Somit scheidet auch ein Gebrauchen i.S.d. § 267 I Var. 3 StGB in Bezug auf die Kopie als Urkunde aus (§ 267 I Var. 3 StGB wäre in Bezug auf die Kopie zu bejahen, wenn diese den Anschein einer originalen Urkund erwecken würde). Fraglich ist, ob jedoch ein Gebrauchen i.S.d. § 267 I Var. 4 StGB bezüglich des gefälschten Krankenscheins vorliegt.
Achtung: Rein tatsächlich wird die Kopie vorgelegt, es fragt sich jedoch, ob dadurch mittelbar der gefälschte Krankenschein gebraucht wird.
Problembehandlung
Ansicht 1: Nach der Rspr. wird in solchen Fällen eine unechte Urkunde gebraucht (NJW 2016, 884 [886]). Mit Vorlage der Kopie werde zum Ausdruck gebracht, dass ein Original existiere. Das hiermit in Bezug genommene Original sei aber eine falsche Urkunde, von der folglich auch hier Gebrauch gemacht werde (NStZ 2021, 43 [43 f.].
Kritik: Schutzzweck der Urkundendelikte ist das Vertrauen auf die Echtheit und Unverfälschtheit der Urkunden im Rechtsverkehr. Hierfür muss die Urkunde auch tatsächlich (sinnlich wahrnehmbar) verwendet werden, um überhaupt Vertrauen in die Urkunde herstellen zu können (Münchener Kommentar StGB/Erb, 4. Aufl. 2022, § 267 Rn. 198 f.).
Ansicht 2: Nach verbreiteter Ansicht der Lehre kann ein "Gebrauchen" nur dann vorliegen, wenn die unechte oder verfälschte Urkunde unmittelbar selbst Gegenstand der Möglichkeit der optischen Wahrnehmung ist. Das bloß mittelbare Gebrauchen - vermittelt über die Kopie - ist hierfür nicht ausreichend (Münchener Kommentar StGB/Erb, § 267 Rn. 198 f.; Lackner/Kühl/Heger, 30. Aufl. 2023, § 267 Rn. 23). Eine Strafbarkeit kommt jedoch in jenen Fällen in Betracht, in denen die Kopie selbst eine unechte oder verfälschte Urkunde darstellt.
Kritik: Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Echtheit und Unverfälschtheit einer Urkunde werde auch dadurch beeinträchtigt, wenn die Möglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung der unechten oder verfälschten Urkunde über eine Kopie vermittelt werde, auch wenn diese selbst keine Urkunde darstelle (NStZ 2021, 43 [43 f.]).
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Die Seite wurde zuletzt am 29.1.2024 um 14.18 Uhr bearbeitet.
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