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Wann ist § 306a I Nr. 1 bei gemischt genutzten Gebäuden erfüllt?







Tags


schwere Brandstiftung; gemischt genutzte Gebäude; Mischnutzung; Wohnung; Wohnnutzung; gewerbliche Nutzung; Aufenthalt; Inbrandsetzen; Brandlegung


Problemaufriss


§ 306a I Nr. 1 erfordert, dass eine Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient, in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wurde. Problematisch ist dies in Fällen, in denen bei gemischt genutzten Gebäuden ein Gebäudeteil in Brand gesetzt oder durch Brandlegung zerstört wird, der nicht der Wohnung von Menschen dient.


Beispiel (nach BGH NJW 1987, 140): A setzt außerhalb der Geschäftszeit ein im Erdgeschoss gelegenes Ladenlokal in Brand. Dieses liegt in einem überwiegend gewerblich genutzten fünfstöckigen Gebäude. Lediglich im 5. Obergeschoss befindet sich eine Wohnung.


Problembehandlung


Ansicht 1: Eine vollendete schwere Brandstiftung gem. § 306a I Nr. 1 komme nur dann in Betracht, wenn das Feuer bereits den Wohnbereich ergriffen habe. Die bei § 306a gegenüber § 306 erhöhte abstrakte Gefährlichkeit ergebe sich erst durch ein Inbrandsetzen gerade dem Wohnen dienender Tatobjekte. Hat der Täter subjektiv mit einem Übergreifen auf den Wohnteil gerechnet, zu dem es nicht gekommen ist, so liege allenfalls ein Versuch vor (Münchener Kommentar StGB/Radtke, 3. Aufl. 2019, § 306a Rn. 37; Schönke/Schröder/Heine/Bosch StGB, 30. Aufl. 2019, § 306a Rn. 11; Kraatz JuS 2012, 691, 693).


Kritik: Bei § 306a I handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Diese Ansicht nähert den Tatbestand einem konkreten Gefährdungsdelikt an.


Ansicht 2: Für das Inbrandsetzen könne es bereits ausreichen, dass in einem gemischt genutzten Gebäude nur der gewerblich genutzte Teil in Brand gesetzt wird (BGH NJW 1987, 140). Der in Brand gesetzte Gebäudeteil muss jedoch mit dem Wohngebäudeteil ein einheitliches Gebäude bilden und es muss nicht auszuschließen sein, dass das Feuer auf für das Wohnen wesentliche Gebäudeteile übergreift (BGH NStZ 2007, 270; BGH NStZ 2011, 214). Über die Einheitlichkeit des Gebäudes entscheidet v.a. dessen bauliche Beschaffenheit (gemeinsamer Flur, durchgehendes Treppenhaus, Brandschutzvorkehrungen zwischen Gebäudeteilen usw.). Für diese Ansicht spricht, dass die Entwicklung eines einmal entfachten Feuers selbst von einem Sachverständigen kaum zuverlässig zu berechnen ist. Zudem sei § 306a I als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet, bei dem die Gefährdung bereits dann vorliege, wenn "das Gebäude", das dem Wohnen diene, brenne. Für die Variante des Zerstörens durch Brandlegung sei hingegen erforderlich, dass der für Wohnzwecke gewidmete Teil betroffen ist. Das sei dann der Fall, wenn eine zum Wohnen bestimmte "Untereinheit" dadurch für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist (BGH NJW 2011, 2148; BGH NStZ 2010, 452; Börner ZJS 2011, 288, 291 f.).


Kritik: Der Gesetzgeber hat sowohl die Inbrandsetzung als auch die Brandlegung als abstrakt gefährlich für Leib und Leben angesehen. Der Gesetzeswortlaut ist insofern eindeutig und differenziert weder danach, welcher Teil eines einheitlichen Gebäudes angezündet wird, noch nach den Varianten des Inbrandsetzen und des Zerstörens durch Brandlegung (Bachmann/Goeck JR 2012, 347, 349 f.; dies. ZJS 2012, 283, 285).






Literatur:  Rengier Strafrecht BT II, 22. Aufl. 2021, § 40 Rn. 38 ff.















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 10.05 Uhr bearbeitet.



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