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Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs bei einem nicht verkehrsbedingten Halt







Tags


Ausnutzung; Straßenverkehr; Fahrzeug; Verkehrslage; verkehrsbedingt; Halt; § 316a


Problemaufriss


§ 316a zielt grundsätzlich darauf ab, dass der Täter die besonderen Verhältnisses des Straßenverkehrs zur Begehung der Tat ausnutzt. Der Täter muss also ganz gezielt die sich aus dem fließenden Verkehr ergebende, ihm eigentümliche Gefahrenlage für die Kraftfahrzeugsverkehrsteilnehmer ausnutzen. Diese Gefahrenlage besteht in erster Linie in der Beanspruchung des Fahrers durch die Konzentration auf die Fahrzeugbedienung bzw. die Verkehrslage sowie in der hieraus folgenden Erschwerung einer Gegenwehr. Es stellt sich daher die Frage, ob der erforderliche enge Zusammenhang zwischen der Tat und der Benutzung des Autos als Verkehrsmittel auch dann gegeben ist, wenn sich das Fahrzeug nicht mehr in Bewegung befindet, ohne dass hierfür ein aus dem Verkehr resultierender Grund vorläge.


Problembehandlung


Befindet sich das Fahrzeug nicht (mehr) in Bewegung, so ist darauf abzustellen, ob das Opfer als Fahrer (noch) mit der Bewältigung von Betriebs- oder Verkehrsvorgängen befasst ist.


I. Verkehrsbedingter Halt


Wird verkehrsbedingt gehalten – etwa an einer roten Ampel oder in einem Stau –, so richtet der Lenker des KfZ seine Aufmerksamkeit weiter auf das Verkehrsgeschehen (BGH NJW 2005, 2564; Rengier Strafrecht BT I, 22. Aufl. 2020, § 12 Rn. 20). Demzufolge bestehe, wie auch im fließenden Verkehr, eine erhöhte Schutzbedürftigkeit, welche die Annahme einer Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs nahe lege.


Kritik: Hiergegen lässt sich einwenden, dass es keineswegs zwingend erscheint, dass der Fahrer beim Halten seine Aufmerksamkeit tatsächlich weiterhin auf das Verkehrsgeschehen richtet. Daraus wird eine Beschränkung auf Angriffe im fließenden Straßenverkehr gefolgert, da der Täter nur bei diesen die Bewegeungsvorgänge des Kraftfahrzeugs ausnutzen und straßenverkehrsbedingte besondere Gefahren für die Allgemeinheit verursachen könne. Verkehrsbedingte Halte seien daher nicht vom Schutzzweck des § 316a erfasst (Duttge/Nolden JuS 2005, 193, 196).


II. Nicht verkehrsbedingter Halt


Ansicht 1: § 316a trägt der Tatsache Rechnung, dass die Konzentration auf den Straßenverkehr zu einer Verringerung der Schutz- und Abwehrmechanismen führt. Grundsätzlich könne auch bei einem nicht verkehrsbedingten Halt infolge spezifischer Bedingungen des Straßenverkehrs eine Gegenwehr des angegriffenen Kraftfahrzeugführers erschwert sein. Eine Erschwerung der Gegenwehr, wie sie dem fließenden Verkehr eigentümlich sei, folge bei einem nicht verkehrsbedingten Halt jedoch nicht ohne Weiteres daraus, dass der Motor noch laufe und der Fahrer deshalb zum Zeitpunkt des Angriffs noch mit dem Betrieb des Fahrzeugs beschäftigt sei. Bei einem nicht verkehrsbedingten Halt müssen weitere verkehrsspezifische Umstände vorliegen, aus denen sich ergebe, dass das Tatopfer als Kraftfahrzeugführer zum Zeitpunkt des Angriffs noch in einer Weise mit der Beherrschung des Fahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt war, die es zu einem besonders leichten Opfer des räuberischen Angriffs werden ließ und der Täter dies für seine Tat ausnutzte. Berücksichtigt man zusätzlich, dass seitens vieler die Sicherheit des Straßenverkehrs als weiteres – überindividuelles – Rechtsgut des § 316a angesehen wird, so lässt sich eine solche Gefährdung nur annehmen, wenn der Straßenverkehrssicherheit gerade aus der Beanspruchung des Kfz-Führers Gefahren drohen.                  Eine solch restriktive Auslegung des § 316a erscheine vor allem angesichts der hohen Strafdrohung und des frühen Vollendungszeitpunktes (Raub bzw. räuberische Erpressung müssen selbst nicht erfüllt sein, der darauf gerichtete Vorsatz genügt) überzeugend (Rengier Strafrecht BT I, § 12 Rn. 21 ff.; Fischer StGB, 67. Aufl. 2020, § 316a Rn. 9 ff.; BGH NJW 2005, 2564 f.).


Kritik: Bei nicht verkehrsbedingtem Halt wäre eine Strafbarkeit nach § 316a mitsamt seiner drakonischen Strafdrohung u.U. vom puren Zufall bedingten Abstellen des Motors etc. abhängig. Teilweise werden die durch diese Ansicht gezogenen Grenzen auch als zu eng betrachtet (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, 42. Aufl. 2019, Rn. 423).


Ansicht 2: Soweit das Opfer noch als Führer oder Mitfahrer eines Kfz verstanden werden könne, kann eine Ausnutzung der Besonderheiten des Straßenverkehrs auch noch dann angenommen werden, wenn die Verhältnisse des Straßenverkehrs in der Angriffssituation vor- oder fortwirken (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, Rn. 423; Duttge/Nolden JuS 2005, 193, 194).


Kritik: Die besondere Schutzwürdigkeit besteht bei § 316a darin, dass Fahrer und Mitfahrer eines Kfz durch die besonderen Gegebenheiten des Straßenverkehrs derart in Anspruch genommen werden, dass ihre Abwehr- und Schutzreaktionen während der Teilnahme am Straßenverkehr reduziert sind. Sobald jedoch keine aktive Teilnahme am Straßenverkehr mehr gegeben sei, muss wieder mit gewöhnlichen Abwehr- und Schutzreaktionen gerechnet werden. Bei sonstigen, lediglich vor- oder noch fortwirkenden Verhältnissen bestehe mangels besonderer Gefährdung daher keine erhöhte Schutzbedürftigkeit, die durch Bestrafung nach § 316a zu bewirken wäre (Rengier Strafrecht BT I, § 12 Rn. 33 f.).















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 11.19 Uhr bearbeitet.



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