Katzenkönig-Fall – BGHSt 35, 347 (Ausnutzung eines Verbotsirrtums)
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mittelbare Täterschaft; Verbotsirrtum; vermeidbar; Täter hinter dem Täter; Katzenkönig; Mystizismus; Esoterik; Leichtgläubigkeit; Menschenopfer
Sachverhalt
Im 35. Band hatte sich der BGH mit folgendem Sachverhalt zu beschäftigen: Die H, P und der Polizeibeamte R lebten in einem von "Mystizismus, Scheinerkenntnis und Irrglauben" geprägten "neurotischen Beziehungsgeflecht" zusammen. H und P gelang es durch bewusstes Zusammenwirken den R von der Existenz des "Katzenkönigs" zu überzeugen, indem sie ihm hellseherische und hypnotische Fähigkeiten vorspielten und mystische Kulthandlungen durchführten. H beschloss die Frau (A) ihres früheren Freundes aus Eifersucht zu töten. H und P kamen stillschweigend überein, die Tat durch R ausführen zu lassen, damit H sie nicht selbst begehen müsse. Sie überzeugten R, dass der Katzenkönig verlange, dass A ihm als Menschenopfer dargebracht werde. Sollte sein Wunsch nicht erfüllt werden, müsse R die H verlassen und der Katzenkönig würde die Menschheit auslöschen. R war bewusst, dass er einen Mord begehen solle, wurde jedoch von H und P davon überzeugt, dass eine Tötung zulässig sei, "da es ein göttlicher Auftrag sei und sie die Menschheit zu retten hätten". R stach die A von hinten mit einem Messer, das er von P erhalten hatte nieder, diese überlebte jedoch.
Entscheidung
R lebte zwar zur Tatzeit in "Wahngewissheiten", dies schließt seine Schuldfähigkeit gem. § 20 aber nicht aus, da seine Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt war. Denn er wusste, dass die Tötung eines Menschen grundsätzlich Unrecht darstellt. Die Steuerungsfähigkeit war ebenfalls nicht aufgehoben, so dass § 20 hier nicht eingreift.
R glaubte an das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr gem. § 34. Es liegt aber kein Erlaubnistatumstandsirrtum vor. Denn bereits die hypothetische Rechtfertigung wäre zu verneinen. Würden die Umstände zutreffen, die sich R vorgestellt hat, wäre R nicht gem. § 34 gerechtfertigt, da eine Abwägung von Leben gegen Leben nicht von der Norm gedeckt ist.
R war auch nicht durch wegen Notstands gem. § 35 I entschuldigt, da objektiv keine Gefahr drohte. Ein Entschuldigungstatumstandsirrtum gem. § 35 II scheidet aus, da R davon ausging, der Katzenkönig stelle für ihn selbst oder für Angehörige und nahestehende Personen keine Gefahr dar.
Es liegt hingegen ein Verbotsirrtum gem. § 17 in Form eines Erlaubnisirrtums vor, da R vom Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes ausgeht, den es in dieser Form gar nicht gibt. R hätte jedoch als Polizeibeamter unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten den Irrtum erkennen können, weshalb der Verbotsirrtum vermeidbar war und nicht zum Schuldausschluss führt. R hat sich damit wegen versuchten Mordes gem. §§ 211, 22, 23 I strafbar gemacht.
Problematisch erschien nun, ob H und P als Anstifter oder als Täter in mittelbarer Täterschaft bei der Ausnutzung des vermeidbaren Verbotsirrtums zu bestrafen sind (vgl. dazu auch das entsprechende Problemfeld). Das erscheint insofern fraglich, als R aufgrund der Vermeidbarkeit seines Verbotsirrtums selbst voll verantwortlich handelte.
Der BGH hält eine mittelbare Täterschaft indes nicht für ausgeschlossen. Aus einem Vergleich zwischen dem vermeidbaren und dem unvermeidbaren Verbotsirrtum, bei dem eine mittelbare Täterschaft unstrittig möglich ist, ergebe sich, dass es nicht allein auf die Unvermeidbarkeit ankommen könne. Denn auch beim vermeidbaren Verbotsirrtum gehe der Täter davon aus, im Recht zu sein. Die Möglichkeit, Kenntnis zu erlangen, dass dem nicht so sei, ändere nichts an der Werkzeugqualität des Täters und schließe eine Tatherrschaft des Hintermannes nicht aus. Es sei daher auf die vom Täterwillen getragene objektive Tatherrschaft des Hintermanns abzustellen. H und P riefen die "Wahngewissheit" bei R bewusst hervor und nutzten diese mytischen Vorstellungen, um Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Plans zu beseitigen. H und P nutzten diese Vorstellung, um R zu steuern und bestimmten auch die Tatausführung mit. Sie bestimmten R zur Tat und beherrschten die Tatausführung durch die von ihnen hervorgerufenen Wahnvorstellungen kraft überlegenen Wissens. H und P seien somit wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 211, 22, 23 I, 25 I Alt. 2 strafbar.
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