Jauchegruben-Fall – BGHSt 14, 193 (Vorsatz bei mehraktigem Geschehen)
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dolus; generalis; genereller; Vorsatz; Ersthandlung; Zweithandlung; Irrtum über den Kausalverlauf; mehraktiger Geschehensablauf; erster Handlungsakt; zweiter Handlungsakt; Gesamtvorsatz; dolus generalis; Jauchegrube; Sand; Bewusstlosigkeit; Ertrinken
Sachverhalt
A und B geraten in Streit. Da A die B würgt, fängt sie an zu schreien. Um dies zu verhindern, stopft die A der B zwei Hände voll Sand in den Mund. Dabei nimmt sie den Tod der B billigend in Kauf. B bekommt keine Luft mehr und bricht bewusstlos zusammen. A nimmt an, dass B gestorben sei und wirft sie, um die vermeintliche Leiche zu entsorgen, in eine Jauchegrube. B, die lediglich bewusstlos war, aber noch lebte, ertrinkt in der Jauchegrube.
Entscheidung
Beim ersten Ausführungsakt, als A der B Sand in den Mund stopfte, handelte sie mit dolus eventualis. Problematisch erscheint jedoch, ob sie auch mit Tötungsvorsatz handelte, als sie die B in die Jauchegrube warf. Es stellt sich das Problem des Vorsatzes bei mehraktigem Geschehen (vgl. hierzu das entsprechende Problemfeld).
Der BGH verwirft die Möglichkeit eines dolus generalis, da aufgrund des Koinzidenzprinzips die Strafbarkeit immer an eine bestimmte Handlung anknüpfen müsse. Der Vorsatz könne sich nur auf bestimmte Handlungen, nicht auf ein Gesamtgeschehen beziehen.
Allerdings sei der tatsächliche Ablauf der Tat nur unwesentlich vom vorgestellten Ablauf abgewichen. Es liege damit nur ein unwesentlicher Irrtum über den Kausalverlauf vor, der rechtlich ohne Bedeutung sei. A habe damit vorsätzlich gehandelt, als sie B in die Jauchegrube warf.
Die Seite wurde zuletzt am 16.4.2023 um 12.15 Uhr bearbeitet.
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