30.04.2020


Varianten des Homeschooling

Derzeit machen wir drei verschiedene Varianten des Homeschooling aus:

Die Variante „advanced“ setzt ganz auf die Idealfamilie. Wie es sich für das Ideal dann noch immer gehört, sind die Akademiker-Eltern präsent und stehen für Fragen ebenso wie für den angemessenen Rahmen eines erfüllenden und anregenden Tages zur Verfügung. Das Equipment der Lernumgebung ist in Apple-weiß gehalten, die Regalwand im Hintergrund des Video-Chats macht einen tadellosen Eindruck.

Für die Variante „Jammern war gestern“ steht etwa das Sportgymnasium Chemnitz, das auf seiner Website an die Fünftklässler die folgende Anweisung parat hatte:

„Plant euren Tag wie einen Schultag. Nehmt euch genau so viel Zeit, wie ihr Schulstunden hättet. Am Ende solltet ihr genau so viel gelernt haben, wie ihr in der Schulzeit gelernt hättet. Das wird wahrscheinlich auch durch Kontrollen (Klassenarbeiten, Klausuren) überprüft werden.“

Die aktuelle Version musste ärgerlicherweise nach Kritik ein wenig abgemildert werden und appelliert nunmehr an den reifen Sportschüler

„Plant euren Tag wie einen Schultag. Nehmt euch genau so viel Zeit, wie ihr Schulstunden hättet. Es erfordert viel Disziplin und „reife“ Schüler, um die Aufgaben selbstständig und ohne Ablenkungen zu lösen. Aber ein Sportschüler wird das gut lösen.“

https://sportgymnasium-chemnitz.de/klasse-5a.html

Die Variante „Freiheit“ wiederum kommt ein wenig ambivalent daher. Es herrscht jedenfalls trotz räumlicher Beengtheit eine konzentrierte Atmosphäre, jedes Kind ist über sein Handy gebeugt. Man sollte noch irgendwas ausdrucken und in den Computer eingeben, nur wie? Egal, den nächsten Videochat würde man zur Sicherheit lieber mal verstreichen lassen. Das Netz oder der kleine Bruder!

https://www.strafrecht-online.org/homeschooling

Und dann gibt es noch diejenigen, die tatsächlich doch noch nicht alles wissen, wie es zu laufen hat, und die gerade über das Lernen lernen.

Die wichtigste Erkenntnis ergibt sich dabei unmittelbar aus den vorgestellten drei derzeitigen Modellen. Ungeachtet der epidemiologisch derzeit nicht sicher abschätzbaren Risiken, die unseren ganz jungen Menschen drohen bzw. für die sie stehen, ist eines jedenfalls gewiss: Sie sollten dringend wieder in die Kitas und Schulen. Nicht etwa, weil ihnen ansonsten lebensnotwendiger Stoff nicht rechtzeitig eingetrichtert würde. Sondern weil Kinder Kinder brauchen. Und weil das Zuhause eben der Ort ist, an dem sich soziale Benachteiligungen in Windeseile weiter verfestigen.

Peter Dabrock hat dies treffend wie folgt formuliert: „Ein Großteil emotionaler und sozialer Grundbedürfnisse entfaltet sich allein in der Begegnung mit anderen Kindern, in Freundschaften wie auch in Grenzerfahrungen in der Gruppe der Gleichaltrigen.“

Und weiter: Kinder seien nicht nur als Objekte von Erziehung und Betreuung wahrzunehmen, sondern Subjekte mit eigenen Rechten.

https://www.strafrecht-online.org/ts-kitas

Abgesehen von diesen essenziellen Bedürfnissen, die der verkopften Leopoldina nicht in den Sinn kamen, gibt es eine Menge, was im Hinblick auf ein kindgerechtes Homeschooling für die möglichst kurze Übergangszeit getan werden könnte, um nicht im oben erwähnten zweiten Modell zu landen.

In erster Linie muss es darum gehen, mit den Kindern in Kontakt zu kommen und ihnen realistische Angebote zu machen. Denn alle Versuche, sie über Zwang durchzusetzen oder zu kontrollieren, sind weitgehend zum Scheitern verurteilt oder wären schlicht unwürdig. Es geht in dieser Phase nicht um das unbarmherzige Umsetzen eines Lehrplans, sondern es geht darum, das Lernen in Gemeinschaft zu simulieren. Wer hierfür auf die Tools seiner Lehre zurückgreift, die schon in der Schule von den Schülern nicht akzeptiert wurden, wird keine Chance haben. Das oben beschriebene Modell „Freiheit“ wäre die Konsequenz. Der Aspekt der extrem unterschiedlichen Bedingungen zu Hause müsste durch eine personalintensive weitere Individualisierung der Angebote Rechnung getragen werden.

https://www.strafrecht-online.org/spon-lernen