14.09.2023


Die Pervertierung des Rechts – oder auch: Geht´s noch?

Über den Deal, den Rupert Stadler mit dem Gericht geschlossen hat, haben sich schon einige echauffiert. Das ist ganz schön, aber eben auch ganz schön naiv, wenn sich etwa Klaus Ott von der Süddeutschen Zeitung aufplustert, mit den unseligen Deals müsse nun endlich einmal Schluss sein.

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So läuft es seit Jahrzehnten, es gibt Kammern am Landgericht, die hilflos dastünden, wenn ihnen ausnahmsweise ein Strafverfahren im Sinne der Strafprozessordnung abverlangt würde. Aber keine Sorge, ich möchte Sie nicht erschrecken: Das passiert schon nicht. Machen Sie also unbesorgt weiter so.

Denn auch das Bundesverfassungsgericht steht der Absprachen-Mafia der Mächtigen machtlos gegenüber, wenngleich es sich bereits zweimal durch empirische Untersuchungen bescheinigen ließ, dass sich die Praxis nicht einmal um die versuchten eher kläglichen Einhegungen des § 257c StPO groß schert. Die Hunde bellen und die Karawane zieht weiter.

Aber die Schmierenkomödie im Dieselkomplex ist noch lange nicht zu einem Ende gelangt. Wir zeichnen für Sie die letzten Akte nach:

Rupert Stadler hatte gestanden, vielmehr bezeichnenderweise gestehen lassen. Es hätte eines Mehr an erforderlicher Sorgfalt in seiner Arbeit als Audi-Chef bedurft.

Moment mal, fragen Sie sich vielleicht. Ist das nicht die Formulierung, die einen Fahrlässigkeitsvorwurf umschreibt? Das schon, aber das hochkarätige Team, das der an der Armutsgrenze vor sich hin vegetierende Angeklagte um sich geschart hat, kennt natürlich die Spielregeln und lässt nachschieben, Stadler habe zwar nicht gewusst, es aber als möglich erachtet und insofern billigend in Kauf genommen, dass Autos mit schmutzigen Diesel-Motoren und betrügerischer Software jahrelang als sauber verkauft worden seien.

Oder auch: Wenn das Gericht nur zur Fahrlässigkeit gelangt wäre, hätte sich die Staatsanwaltschaft nun wirklich nicht beschweren dürfen.

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Der nächste Akt des Schmierentheaters war sodann der mündlichen Urteilsbegründung vorbehalten, in der in einer „groben Zusammenfassung“ stundenlang technische Details über Stickoxid-Emissionen und Abgas-Testzyklen referiert wurden, die eine Präzision vorgaukelten, die man sich gerade statt des Ruhekissens eines ach so glaubhaften Geständnisses erwünscht hätte.

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Ende dieser unwürdigen Geschichte? Nicht ganz. Denn Rupert Stadler geht in Revision. Der Aufschrei in den Medien hielt sich insoweit in Grenzen, offensichtlich hatte der Zirkus davor das gesamte Empörungspotenzial aufgezehrt. Immerhin war von Überraschung die Rede.

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Überrascht werden aber nur diejenigen gewesen sein, die es tatsächlich in der Logik einer Verständigung gesehen haben sollten, dass man sich an eine solche auch hält, sofern weder Täuschung noch Irrtum in Rede stehen. Aber es geht bei diesem Instrument eben weder um die materielle Wahrheit noch einen Vertrag, sondern um die Nutzenmaximierung der Mächtigen. Und hierzu gehört bei einem nicht existierenden Risiko eines schlechteren Ausgangs der Vorteil, in anderen Strafverfahren nicht als Zeuge mit nicht vorhersehbaren wirtschaftlichen Risiken aussagen zu müssen. Weitere Verzögerungen bis zu einem rechtskräftigen Urteil lohnen bei zivilrechtlichen Schadensersatzklagen immer.

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Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, worum es bei der Verständigung im Strafverfahren geht: Rupert Stadler hat ihn erbracht. Das ist doch immerhin auch schon mal was.


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