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Aberratio ictus

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<h3>Tags</h3> <p>Fehlgehen; Tatobjekt; Individualisierung; Konkretisierung; Gleichwertigkeit; Abirrung</p> <h3><strong>Problemaufriss</strong></h3> <p>Die aberratio ictus ist das Fehlgehen der Tat, bei dem der Verletzungserfolg an einem anderen Objekt eintritt als der T&auml;ter im ma&szlig;gebenden Zeitpunkt anvisierte. Die rechtliche Behandlung h&auml;ngt davon ab, ob getroffenes und anvisiertes Tatobjekt gleichwertig sind (z.B. Mensch getroffen und anvisiert) oder nicht (z.B. Sache anvisiert, Mensch getroffen).<br>&nbsp;</p> <h3><strong>Problembehandlung</strong></h3> <p><strong>I. Ungleichwertigkeit der Tatobjekte</strong><br>Unumstritten ist die Behandlung der aberratio ictus bei Ungleichwertigkeit der Tatobjekte.<br><strong>Beispiel:</strong>&nbsp;A schie&szlig;t auf den Hund des O, sie wackelt jedoch beim Abdr&uuml;cken und trifft O selbst t&ouml;dlich.<br>Fallen anvisiertes und getroffenes Tatobjekt unter verschiedene Straftatbest&auml;nde, so liegt ein nach&nbsp;<strong><a href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__16.html">&sect;&nbsp;16 I</a></strong>&nbsp;beachtlicher Tatumstandsirrtum vor. Es wird eine Versuchsstrafbarkeit bez&uuml;glich des anvisierten und gegebenenfalls eine dazu in Tateinheit stehende Fahrl&auml;ssigkeitsstraftat in Bezug auf das tats&auml;chlich getroffene Objekt angenommen (Sch&ouml;nke/Schr&ouml;der/<em>Sternberg-Lieben/Schuster</em>, 30.&nbsp;Aufl. 2019, &sect;&nbsp;15 Rn.&nbsp;57;&nbsp;<em>Rengier</em>&nbsp;Strafrecht AT, 15.&nbsp;Aufl. 2023, &sect;&nbsp;15 Rn.&nbsp;30).<br>Im Beispielsfall hat sich A&nbsp;wegen versuchter Sachbesch&auml;digung gem.&nbsp;<strong><a href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__303.html">&sect;&sect;&nbsp;303 I, III</a></strong>,&nbsp;<strong><a href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__22.html">22</a></strong>,&nbsp;<strong><a href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__23.html">23 I</a></strong>&nbsp;sowie fahrl&auml;ssiger T&ouml;tung gem.&nbsp;<strong><a href="https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__222.html">&sect;&nbsp;222</a></strong>&nbsp;strafbar gemacht.<br>&nbsp;<br><strong>II. Gleichwertigkeit der Tatobjekte</strong><br>Umstritten ist hingegen die Behandlung der F&auml;lle in denen anvisiertes und getroffenes Objekt tatbestandlich gleichwertig sind.<br><strong>Beispiel:</strong>&nbsp;A will B erschie&szlig;en. Pl&ouml;tzlich l&auml;uft jedoch die C in die Schusslinie und wird getroffen. B bleibt unverletzt.<br>&nbsp;<br><strong>Ansicht 1:</strong>&nbsp;Nach der&nbsp;<strong>Gleichwertigkeitstheorie</strong>&nbsp;ist in einer derartigen Konstellation der T&auml;ter wegen vors&auml;tzlich vollendeten Delikts bez&uuml;glich des tats&auml;chlich getroffenen Objekts zu bestrafen, da er Vorsatz bez&uuml;glich der T&ouml;tung eines Menschen gehabt hat und auch einen Menschen t&ouml;tete (<em>Heuchemer</em>&nbsp;JA 2005, 275;&nbsp;<em>Loewenheim</em>&nbsp;JuS 1966, 310, 313;&nbsp;<em>Frister</em>&nbsp;Strafrecht AT, 10.&nbsp;Aufl. 2023, 11. Kapitel Rn. 62;&nbsp;<em>Puppe</em>&nbsp;JZ 1989, 728;&nbsp;<em>Kuhlen</em>&nbsp;Die Unterscheidung von vorsatzausschlie&szlig;endem und nicht vorsatzausschlie&szlig;endem Irrtum, 1987, S. 479 ff.).<br>&nbsp;<br><strong>Kritik:</strong>&nbsp;Diese Ansicht unterstellt, dass der T&auml;ter lediglich ein Objekt der Gattung treffen wollte und spricht dem T&auml;tervorsatz somit eine Objektindividualisierung ab (<em>Wessels/Beulke/Satzger</em>&nbsp;Strafrecht AT, 53.&nbsp;Aufl. 2023, Rn.&nbsp;378; Sch&ouml;nke/Schr&ouml;der/<em>Sternberg-Lieben/Schuster</em>, &sect;&nbsp;15 Rn.&nbsp;57). Ber&uuml;cksichtigt man aber, dass bei einer Individualisierung des Tatobjekts der T&auml;ter das tats&auml;chlich getroffene Objekt eigentlich nicht treffen wollte, so widerspricht diese Ansicht auch den tats&auml;chlichen Vorstellungen des T&auml;ters (<em>Rengier</em>&nbsp;Strafrecht AT, &sect;&nbsp;15 Rn.&nbsp;34). Sie schiebt dem T&auml;ter ein nicht gewolltes Tatobjekt als gewolltes unter (Fiktion).<br>&nbsp;<br><strong>Ansicht 2:</strong>&nbsp;Nach einer&nbsp;<strong>differenzierenden</strong>&nbsp;Ansicht f&uuml;hrt das Fehlgehen der Tat nur bei der Verletzung h&ouml;chstpers&ouml;nlicher Rechtsg&uuml;ter, nicht aber bei &uuml;bertragbaren Rechtsg&uuml;tern (Eigentum und Verm&ouml;gen) zum Vorsatzausschluss (<em>Schreiber</em>&nbsp;JuS 1985, 873;&nbsp;<em>Hillenkamp</em>&nbsp;Die Bedeutung der Vorsatzkonkretisierung bei abweichendem Kausalverlauf, 1971, S. 85 ff.). Die Individualit&auml;t des Angriffsobjekts sei nur bei Verletzung h&ouml;chstpers&ouml;nlicher Rechtsg&uuml;ter f&uuml;r das im Tatbestand vertypte Unrecht von Bedeutung.</p> <p><br><strong>Kritik:</strong>&nbsp;Vergleiche Kritik zu Ansicht 1. Hinzu kommt, dass die Differenzierung nach h&ouml;chstpers&ouml;nlichen und nicht h&ouml;chstpers&ouml;nlichen Rechtsg&uuml;tern inkonsequent ist (<em>K&uuml;hl</em>&nbsp;Strafrecht AT, 8.&nbsp;Aufl. 2017, &sect;&nbsp;13 Rn.&nbsp;37). Die allgemeinen Zurechnungsregeln m&uuml;ssen f&uuml;r alle Rechtsg&uuml;ter gelten.<br>&nbsp;<br><strong>Ansicht 3:</strong>&nbsp;<strong>Herrschend</strong>&nbsp;wird die&nbsp;<strong>Konkretisierungstheorie</strong>&nbsp;vertreten (BGHSt 34, 53;&nbsp;<em>Wessels/Beulke/Satzger</em>&nbsp;Strafrecht AT, Rn.&nbsp;375;&nbsp;<em>Rengier</em>&nbsp;Strafrecht AT, &sect;&nbsp;15 Rn.&nbsp;34 ff.; Studienkommentar StGB/<em>Joecks/J&auml;ger</em>, 13.&nbsp;Aufl. 2021, &sect;&nbsp;15 Rn.&nbsp;46 f.;&nbsp;<em>Rath</em>&nbsp;JA 2005, 709). Hiernach mache sich der T&auml;ter nur wegen Versuchs bez&uuml;glich des urspr&uuml;nglich ins Auge gefassten, konkretisierten&nbsp;Objekts und wegen Fahrl&auml;ssigkeit (sofern strafbar) bez&uuml;glich des wirklich getroffenen Objekts strafbar (<em>Fischer</em> StGB, 71.&nbsp;Aufl. 2024, &sect;&nbsp;16 Rn.&nbsp;9).</p>

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