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Subsumtionsirrtum







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Subsumtionsirrtum; Irrtum; Tatbestand; subjektiv; Tatumstandsirrtum; Tatbestandsirrtum; Vorsatz; Vorsatzausschluss; Bedeutungskenntnis; Schuld; Verbotsirrtum; normativ; deskriptiv


Problemaufriss


Unter Vorsatz versteht man den Willen zur Verwirklichung eines Straftatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) (vgl. Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 49. Aufl. 2019, Rn. 316). Dabei darf unter dem kognitiven Element nicht die korrekte Subsumtion unter ein Tatbestandsmerkmal verstanden werden, sondern vielmehr die Kenntnis des vom Gesetzgeber als strafwürdig erachteten Sachverhalts und seines Bedeutungsgehalts; man spricht von einer vorzunehmenden "Parallelwertung in der Laiensphäre" (Jäger Strafrecht AT, 7. Aufl. 2015, Rn. 64, Wessels/Beulke/Satzger AT, Rn. 361).


Wer sich trotz Kenntnis der sozialen und rechtlichen Bedeutung des objektiven Tatbestandsmerkmals (aus Sicht eines Laien) falsche Vorstellungen davon macht, wie sein Verhalten unter Betrachtung des objektiven Tatbestandes einer Strafnorm zu bewerten ist, unterliegt einem sog. Subsumtionsirrtum (Rengier Strafrecht AT, 11. Aufl. 2019, § 15 Rn. 4).


Beispiel 1: S lässt die Luft aus den Reifen des Wagens des R. Er glaubt, sich hierbei nicht nach § 303 strafbar zu machen, da man hierfür eine Sache "kaputtmachen" müsse.


Beispiel 2: T glaubt nicht, dass ein zu Abrechnungszwecken mit Strichen versehener Bierdeckel eine Urkunde darstellt und entfernt zwei Striche von demselben, um weniger bezahlen zu müssen (Rengier Strafrecht AT, § 15 Rn. 4 ff.).


Wie sind die Vorstellungen von S und T strafrechtlich zu bewerten?


Problembehandlung


Hinsichtlich der Kenntnis des Bedeutungsgehalts der Tatumstände ist zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen zu unterscheiden: Erstgenannte sind im Allgemeinen der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich, weshalb es genügt, wenn der Täter sie tatsächlich sinnlich wahrnimmt (z.B. Mensch, Sache, Tier). Letztgenannte sind lediglich über eine Wertung feststellbar (z.B. Urkunde, Sachbeschädigung, fremd), weshalb der Täter ihren Bedeutungsgehalt geistig verstanden haben muss, um einen Vorsatz annehmen zu können (Jäger Strafrecht AT, Rn. 63).


Im Beispiel 1 wusste S, dass er durch das Auslassen der Luft aus den Reifen des Autos des R, dieses (zumindest vorübergehend) unbrauchbar machte. Da unter einer Beschädigung i.S.d. § 303 I ein Eingriff in eine Sache zu verstehen ist, der zu einer nicht unwesentlichen Substanz- oder Gebrauchsbeeinträchtigung führt (BGHSt 13, 207), ist der objektive Tatbestand des § 303 I erfüllt.


Dass S sich unter dem Straftatbestand der Sachbeschädigung etwas anderes vorstellte, stellt einen Subsumtionsirrtum dar, der für den Vorsatz des S unerheblich ist. In Betracht kommt allenfalls eine fakultative Strafmilderung wegen vermeidbaren Verbotsirrtums nach § 17 S. 2.


Im Beispiel 2 fragt sich, ob T Vorsatz hinsichtlich des Merkmals "Urkunde" i.S.d. § 267 StGB hatte. Unter einer Urkunde versteht man jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und die ihren Aussteller erkennen lässt (BGHSt 18, 66). T wusste darum, dass der Bierdeckel der späteren Abrechnung durch die Bedienung diente und hierfür Beweiswert hatte. Genau aus diesem Grund manipulierte er den Deckel ja auch zu seinen Gunsten. Dass er sich unter dem Begriff der Urkunde etwas anderes vorstellte, stellt wiederum einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum dar.


Zu einem anderen Ergebnis käme man nur, wenn T zum Beispiel aus einer anderen Kultur stammt und nicht wusste, was die Striche auf dem Bierdeckel in Deutschland bedeuten.















Die Seite wurde zuletzt am 17.4.2023 um 9.41 Uhr bearbeitet.



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