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Abwehrprovokation







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Notwehr; Erforderlichkeit; Abwehr; Abwehrprovokation; Aufrüstung; Bewaffnung; Einschränkungen; actio illicita in causa


Problemaufriss


Beispiel: A will den Abend in einer Kneipe verbringen. Er hält es für gut möglich, dass sich dort auch der mit ihm verfeindete B aufhält, mit dem es schon mehrmals zu schweren körperlichen Auseinandersetzungen gekommen ist. A will zwar keine Konfrontation, erwartet aber von B angegriffen zu werden. Daher nimmt er gezielt statt seines Messers seine Pistole mit, um sich ggf. besser verteidigen zu können. In der Kneipe kommt es tatsächlich zu einem Streit mit dem körperlich überlegenen B. Überraschend holt B mit einem schweren Bierkrug aus, um ihn A auf den Kopf zu schlagen. A zieht blitzschnell seine Pistole, drückt ab und trifft B tödlich. Hätte er das Messer bei sich gehabt, hätte ein Stich in den Arm genügt, um B abzuwehren.


Diese Konstellation wird unter den Begriff „Abwehrprovokation“ gefasst. Fraglich ist, ob das Notwehrrecht in diesen Fällen eingeschränkt werden muss. Zwar wird ein konkret erforderliches Verteidigungsmittel eingesetzt. Aber im Vorfeld rüstet sich der Täter mit einem gefährlicheren Abwehrmittel (hier Pistole) aus; hätte er das weniger gefährliche Werkzeug mitgenommen (hier Messer), hätte dieses zur Verteidigung ausgereicht.


Problembehandlung


Ansicht 1: Nach h.M. sei bei der Abwehrprovokation keinerlei Einschränkung des Notwehrrechts vorzunehmen. Der Angreifer müsse den Angegriffenen so nehmen, wie er ihn vorfindet. Allein durch die Wahl der Kleider und Mitnahme bestimmter Gegenstände dürfe dem Rechtsverteidiger kein Vorwurf gemacht werden (MüKo StGB/Erb, 4. Aufl. 2020. § 32 Rn. 236; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 537).


Subsumbtion: Nach dieser Ansicht ist das Notwehrrecht des A also nicht einzuschränken.


Kritik: Der Fall der Hochrüstung, um den späteren Angreifer schwerer verletzen zu können, weist deutliche Parallelen zur Absichtsprovokation auf. Dies muss als Einschränkung des Notwehrrechts auf Ebene der Gebotenheit berücksichtigt werden (Rengier Strafrecht AT, 15. Aufl. 2023, § 18 Rn. 102).


Ansicht 2: Teilweise wird die h.M. modifiziert, indem eine Einschränkung des Notwehrrechts (Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr) dann in Frage komme, wenn der später Angegriffene das ungefährlichere Abwehrmittel gezielt nicht mitnehme, um den Angreifer dann schwerer verletzen zu können (Schönke/Schröder/Perron/Eisele StGB, 30. Aufl. 2019, § 32 Rn. 61b; Rengier Strafrecht AT, § 18 Rn. 101 f.).


Subsumtion: A hat das ungefährlichere Abwehrmittel (Messer) gezielt nicht mitgenommen, um den B dann schwerer (mit der Pistole) verletzen zu können. Daher ist nach dieser Ansicht das Notwehrrecht des A einzuschränken.


Kritik: Bei der Angriffsprovokation wird das Notwehrrecht eingeschränkt, da der Angegriffene die Situation, in der er von den üblichen Schutzmechanismen der Rechtsgemeinschaft abgeschnitten ist, selbst verursacht hat. Im Fall der Abwehrprovokation hat der Angegriffene hingegen nichts zur Entstehung der Situation beigetragen. Seine Interessen überwiegen daher weiterhin die Interessen des Angreifers. Außerdem überschreitet der Angegriffene mit der Vorbereitung auf die Notwehrsituation nicht die Grenze des erlaubten Risikos und verletzt mit dem Unterlassen einer besonders geeigneten Vorbereitung keine Rechtspflicht. Zusätzlich liegt hier, anders als bei der Angriffsprovokation, kein Rechtsmissbrauch des Verteidigers vor (Leipziger Kommentar/Rönnau/Hohn, 13. Aufl. 2019, § 32 Rn. 189, 248; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 537). Der Angreifer muss den Angegriffenen folglich generell so nehmen, wie er ihn vorfindet. Es liegt keine vorwerfbare Provokation des Angriffs vor (MüKo StGB/Erb, § 32 Rn. 236).


Ansicht 3: Eine dritte Auffassung löst das Problem der Abwehrprovokation über die Konstruktion der actio illicita in causa, wonach die Rechtswidrigkeit jeder zum Erfolg führenden Handlung einzeln untersucht werden muss (Frister Strafrecht AT, 10. Aufl. 2023, 14. Kapitel Rn. 6, 16. Kapitel Rn. 32; BGH NJW 2001, 1075).


Subsumbtion: Nach dieser Ansicht wäre A bzgl. der vorhersehbaren Verletzung/Tötung des B auf Grund von Notwehr gerechtfertigt. Jedoch würde eine Strafbarkeit durch das Anknüpfen an sein Vorverhalten - das Mitnehmen der Pistole - erreicht werden.


Kritik: Schon die Figur der actio illicita in causa ist aufgrund des Widerspruchs abzulehnen, dass durch sie ein und dieselbe Handlung sowohl als rechtmäßig als auch als rechtswidrig beurteilt wird. Als rechtmäßig wird die Handlung aufgrund einer Rechtfertigung durch Notwehr, als rechtswidrig aufgrund eines durch die actio illicita in causa in Gang gesetzten Vorsatzdelikts angesehen. Die Rechtfertigung wird also nur "scheinhaft zugebilligt". (Roxin/Greco Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 15 Rn. 68). Auch erscheint es schwierig, die Aufrüstungshandlung als Körperverletzung zu bestrafen (Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 7 Rn. 243)















Die Seite wurde zuletzt am 29.4.2024 um 8.23 Uhr bearbeitet.



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