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Gebotenheit bei der Nothilfe







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Nothilfe; Gebotenheit; sozialethische Einschränkungen; Provokation; Angriffsprovokation; § 32


Problemaufriss


Gemäß § 32 Abs. 2 ist Notwehr die zur Verteidigung gebotene Handlung zur Abwendung eines Angriffs von sich selbst oder einem anderen. Somit ist grundsätzlich nicht nur der Angegriffene selbst, sondern auch jeder Dritte zur Verteidigung berechtigt ist. Die Verteidigung durch Dritte wird als Nothilfe bezeichnet.
Wie auch das Notwehrrecht kann auch das Nothilferecht des Dritten aus unterschiedlichen Gründen im Rahmen der Gebotenheit eingeschränkt werden. Während das etwa bei einem Angriff erkennbar Schuldloser oder im Falle eines groben Missverhältnisses zum gleichen Ergebnis führen wird, so können innerhalb der Fallgruppe der Absichtsprovokation unterschiedliche Konstellationen vorliegen.
 
 
Problembehandlung
 
Konstellation 1: Provokation durch Angegriffenen
Beispiel: A provoziert den verhassten C. Wie vorhergesehen und gewollt holt C zu einem ordentlichen Schlag aus. D kommt dem zuvor und haut den C mithilfe eines Stuhls um.
 
Hätte A sich selbst verteidigt, wäre sein Notwehrrecht nach h.M. eingeschränkt. Daher muss diese Einschränkung des Nothilferechts auch für den Dritten (D) einer Nothilfe gelten (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, § 32 Rn. 61a).
 
Konstellation 2: Provokation durch Dritten, gemeinsamer Tatplan mit dem Angegriffenen
Beispiel: A und D planen, dass D den verhassten C provoziert, dass dieser den A angreift, damit D unter dem Deckmantel der Nothilfe den A „verteidigen“ kann. Der Plan geht auf: C holt zu einem ordentlichen Schlag gegen A aus. D kommt dem zuvor und haut den C mithilfe eines Stuhls um.
 
Bei einem mittäterschaftlichen Zusammenwirken von dem in Nothilfe Handelnden und dem Angegriffenen wirken sich die Einschränkungen des Notwehrrechts in gleicher Weise auf die Nothilfe aus. Der Angegriffene muss sich die Provokation nach den Kriterien der Mittäterschaft zurechnen lassen (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, § 32 Rn. 61a; NK/Kindhäuser, 6. Aufl. 2023\, § 32 Rn. 124). Daher ist die Nothilfe nach h.M. zu versagen.
 
Konstellation 3: Provokation durch Dritten, keine Kenntnis des Angegriffenen
Beispiel: D provoziert den C, dass dieser den A angreift, damit D unter dem Deckmantel der Nothilfe den A „verteidigen“ kann. A weiß hiervon nichts. C holt zu einem ordentlichen Schlag gegen A aus. D kommt dem zuvor und haut den C mithilfe eines Stuhls um.
 
In diesem Fall hätte der Angegriffene (A) sein volles Notwehrrecht behalten. Durch die Provokation eines Dritten darf er sein Notwehrrecht nämlich nicht verlieren. Damit kann auch die Nothilfe durch den Provokateur (D) nicht eingeschränkt werden, da ansonsten die Rechtsstellung des Angegriffenen geschmälert wäre (NK/Kindhäuser, § 32 Rn. 124). Teilweise wird eine Strafbarkeit des Dritten über die Konstruktion der actio illcita in causa vorgeschlagen (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, § 32 Rn. 61a;), sodass an die Handlung des Provozierens als strafbare Handlung angeknüpft werden könnte.
 
Hinweis: Im Gutachten geht es daher i.d.R. darum, zu untersuchen, ob dem Angegriffenen ein Notwehrrecht zustünde. An dieser Stelle ist daher immer inzident der Meinungsstreit um die rechtliche Behandlung der Absichtsprovokation zu führen.















Die Seite wurde zuletzt am 14.4.2025 um 16.55 Uhr bearbeitet.



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