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Notwehrexzess bei Gebotenheitsüberschreitung







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Notwehr; Notwehrexzess; Exzess; intensiver Exzess; intensiver Notwehrexzess; Intensivnotwehrexzess; Entschuldigung; Entschuldigungsgrund; Gebotenheit; krasses und unerträgliches Missverhältnis


Problemaufriss
Werden in einer Notwehrlage die Grenzen der Notwehrbefugnis aus § 32 überschritten, so kommt eine Entschuldigung wegen Notwehrexzesses nach § 33 in Betracht.
Hierbei sind die Überschreitung in zeitlicher Hinsicht (extensiver Notwehrexzess) und die Überschreitung der Erforderlichkeit bzw. der Gebotenheit der Notwehrhandlung (intensiver Notwehrexzess) zu unterscheiden. Die Anerkennung des extensiven Notwehrexzess ist dabei umstritten. Unstreitig im Sinne eines intensiven Notwehrexzesses nach § 33 entschuldigt sind die Fälle, in denen der Handelnde die Grenzen der Erforderlichkeit aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (sog. asthenische Affekte) überschritten hat. Problematisch sind jedoch Fälle, in denen der Handelnde nicht die Grenzen der Erforderlichkeit, sondern diejenigen der Gebotenheit der Notwehr überschreitet. Hier lassen sich verschiedene Fallgruppen bilden.


Problembehandlung


Fallgruppe 1: Vorwerfbare Notwehrsituation
Die erste Konstellation beschreibt den Fall, dass der Täter aufgrund von rechtswidrigem Vorverhalten die Notwehrsituation herbeigeführt hat. Nach h.M. steht dem in Notwehr Handelnden hier ein lediglich eingeschränktes Notwehrrecht zu (Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr). Sofern sich der Verteidiger aufgrund asthenischer Affekte intensiver als „geboten“ verteidigt (also nicht abgestuft vorgeht), so findet § 33 Anwendung. Hier liegt nämlich ein Notwehrrecht vor, was auch überschritten werden konnte (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 704). Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass § 33 anders als § 35 I 2 keine entsprechende Beschränkung auf die „unverschuldete“ Notwehr hat (Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019\, § 33 StGB Rn. 9).


Fallgruppe 2: Absichtsprovokation
Anders sieht es hingegen aus, wenn der in Notwehr Handelnde den Angriff absichtlich provoziert hat, um unter dem Deckmantel der Notwehr handeln zu können. In diesem Fall der Absichtsprovokation steht dem Provozierenden nach h.M. kein Notwehrrecht zu. Dieser ist daher so zu behandeln, wie wenn eine Notwehrlage überhaupt nicht bestünde. § 33 findet daher auf diese Fallgruppe keine Anwendung. (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 704; Schönke/Schröder/Perron/Eisele, § 33 StGB Rn. 9)


Fallgruppe 3: Krasses Missverhältnis
Auch in der Konstellation des krassen Missverhältnisses zwischen angegriffenem und verteidigtem Gut steht dem in Notwehr Handelnden ein nur eingeschränktes Notwehrrecht (Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr) zu. Sofern diese Abstufung und damit die Gebotenheit aus asthenischen Gründen nicht eingehalten wird, will die h.M. § 33 jedoch nicht anwenden. Grund ist, dass die Unrechtsminderung bei der Abwehr solcher Angriffe nicht ausreicht, um eine Entschuldigung anzunehmen. (Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 12 Rn. 150; Roxin/Greco Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 22 Rn. 79).















Die Seite wurde zuletzt am 10.6.2024 um 10.38 Uhr bearbeitet.



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