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Notwehrexzess bei Gebotenheitsüberschreitung wegen krassen und unerträglichen Missverhältnisses







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Notwehr; Notwehrexzess; Exzess; intensiver Exzess; intensiver Notwehrexzess; Intensivnotwehrexzess; Entschuldigung; Entschuldigungsgrund; Gebotenheit; krasses und unerträgliches Missverhältnis


Problemaufriss
Werden in einer Notwehrlage die Grenzen der Notwehrbefugnis aus § 32 überschritten, so kommt eine Entschuldigung wegen Notwehrexzesses nach § 33 in Betracht.
Hierbei sind die Überschreitung in zeitlicher Hinsicht (extensiver Notwehrexzess) und die Überschreitung der Erforderlichkeit bzw. der Gebotenheit der Notwehrhandlung (intensiver Notwehrexzess) zu unterscheiden. Unstreitig nach § 33 entschuldigt sind dabei Fälle, in denen der Handelnde die Grenzen der Erforderlichkeit aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken (sog. asthenische Affekte) überschritten hat. Problematisch sind jedoch Fälle, in denen der Handelnde nicht die Grenzen der Erforderlichkeit, sondern diejenigen der Gebotenheit der Notwehr überschreitet. Fraglich ist insbesondere, ob § 33 in Konstellationen Anwendung findet, in denen die Gebotenheit aufgrund eines krassen und unerträglichen Missverhältnisses nicht gegeben ist.


Beispiel: Der verwirrte Angreifer sticht den Angreifer nieder, obwohl zur Abwehr auch eine leichte Ohrfeige genügt hätte.


Problembehandlung


Ansicht 1:  Nach der h.M. scheidet in diesen Fällen eine Anwendung des § 33 in Parallele zur Notwehr aus (Roxin/Greco Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 22 Rn. 79; Kühl Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl.2017, § 12 Rn.150; Rogall/Systematischer Kommentar zum StGB, 9. Aufl. 2015, § 33 Rn. 24). Es fehle am erforderlichen Mindestmaß an Unrechtsminderung, das eine Straffreiheit begründen könnte (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 704).
 
Ansicht 2:  Nach anderer Auffassung komme eine Entschuldigung nach § 33 auch in diesem Fall in Betracht; alles andere widerspreche dem Wortlaut des § 33 (Zieschang/Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2019, § 33 Rn. 3; soweit neben dem asthenischen Affekt kein anderes Motiv mitwirkt: Erb/Münchener Kommentar, 4. Auflage 2020, § 33 Rn. 24).
 
Kritik: Die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe benötigen ein Mindestmaß an Unrechtsminderung, das eine völlige Straflosigkeit zu begründen vermag. Auch wenn der Täter aufgrund des asthenischen Affekts in einer Extremsituation steckt, ist dieses Mindestmaß nicht gegeben. (Roxin/Greco Strafrecht AT I, 5. Aufl. 2020, § 22 Rn. 79) Eine Entschuldigung nach § 33 wäre in diesen Fällen systemwidrig (Jakobs Strafrecht AT, 20. Abschnitt Rn. 29).















Die Seite wurde zuletzt am 15.5.2024 um 11.26 Uhr bearbeitet.



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