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Error in persona eines Mittäters (Verfolger-Fall)







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Mittäter; Exzess; Mittäterexzess; Verfolger; Verfolgerfall; Verfolgerirrtum; Tatplan; Konkretisierungstheorie; Gleichwertigkeitstheorie; error in persona; aberratio ictus; untauglicher Versuch; Selbsttötung; Straflosigkeit


Problemaufriss


Beispiel:  A und B wollen mit Pistolen bewaffnet zwecks Diebstahls in einen Supermarkt eindringen. Sie verabreden, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, falls für einen von beiden die Festnahme drohe, und nehmen dabei die Tötung der getroffenen Person in Kauf. Beim Aufbrechen der Tür werden sie von C entdeckt und ergreifen die Flucht. Als A hinter sich Schritte hört, glaubt er, von C verfolgt zu werden und feuert auf die Person. Tatsächlich läuft aber B hinter ihm. Die Kugel streift lediglich den Hemdsärmel des B.
A hat sich wegen versuchten (Verdeckungs-)Mordes gem. §§ 211 II22 strafbar gemacht: Mit Abgabe des Schusses wollte er den zuvor verwirklichten versuchten Diebstahl mit Waffen verdecken und verwirklichte damit das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht. Dass er seinen Komplizen B überhaupt nicht treffen wollte, stellt aufgrund der Gleichwertigkeit der Tatobjekte einen unbeachtlichen error in persona dar. Die ebenfalls verwirklichte gefährliche Körperverletzung gem. §§ 223 I224 I Nr. 2 steht dazu in Tateinheit.
Fraglich ist aber, inwiefern sich B in diesem sogenannten Verfolger-Fall strafbar gemacht hat (vgl. BGHSt 11, 268). Dabei ist insbesondere umstritten, ob es sich um einen sogenannten Mittäterexzess handelt.


Relevantes Wissen zum Mittäterexzess
Eine Mittäterschaft i.S.v. § 25 II ist gegeben, wenn eine gemeinsame Tatausführung und ein gemeinsamer Tatplan vorliegen. Ist das der Fall, werden die Tatbeiträge eines Mittäters allen anderen Mittätern zugerechnet. (Wessels/Beulke/Satzger Stafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 815, 817). Die Grenze der wechselseitigen Zurechnung bildet der gemeinsame Tatplan. Es ist keine detaillierte Ausarbeitung des Tatplans erforderlich und auch Abweichungen, mit denen gewöhnlich zu rechnen ist, sind vom Tatplan umfasst. Sofern jedoch wesentlich vom gemeinsamen Tatplan abgewichen wird, handelt es sich um einen sogenannten Mittäterexzess. In diesem Fall erfolgt keine gegenseitige Zurechnung mehr (Rengier Strafrecht AT, 15. Aufl. 2023, Rn. 23 f.).


Problembehandlung


Zur Strafbarkeit des B im Verfolger-Fall
A. B könnte sich wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft zu seinen eigenen Lasten (das bildet eine Besonderheit des Falles!) nach §§ 211 II, 22, 23, 25 II strafbar gemacht haben.


0. Vorprüfung: Tat ist nicht vollendet und der Versuch ist strafbar (§ 211 I iVm §§ 23 I, 12 I).
I. 1. B müsste Tatentschluss bzgl. aller objektiven Tatbestandsmerkmale haben. B wollte in der konkreten Situation auf niemanden schießen. A und B könnten aber Mittäter sein i.S.v. § 25 II. Dann genügt es, wenn B sich Umstände vorstellt, die vom gemeinsamen Tatplan umfasst sind.
a) Grds. Tatentschluss bzgl. Mittäterschaft i.S.v. § 25 II (gemeinsamer Tatplan und gemeinsame Tatausführung) (+)
b) (P) A irrte über die Person, die er versuchte zu treffen. Er hielt B für den Verfolger C und unterlag damit einem unbeachtlichen error in persona. Hier stellt sich die Frage, ob der error in persona einen Exzess darstellt.*
 
Ansicht 1:  Nach der herrschenden Meinung ist der error in persona des Mittäters bei Gleichwertigkeit der Tatobjekte auch für die Strafbarkeit der Mittäter unbeachtlich: Der gemeinschaftliche Tatentschluss sei auf die Tötung eines Verfolgers gerichtet. Darin enthalten sei auch das Risiko, einen Komplizen zu treffen. Das sei Teil das Planverwirklichungsrisikos. Damit liege kein Exzess vor. (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 833; Rengier Strafrecht AT, § 44 Rn. 32 f.; Kühl Strafrecht AT, 8. Aufl. 2017, § 20 Rn. 119 ff.)
 
Ansicht 2: Nach anderer Ansicht stellt der error in persona einen fahrlässigen Exzess dar. Der Schuss auf den Mittäter liege außerhalb des Tatplanes und könne daher auch nicht zum Vorsatz zugerechnet werden. Für den zweiten Mittäter stelle der error in persona vielmehr einen aberratio ictus dar. (Roxin Strafrecht AT II, 2003, § 25 Rn. 195)
Kritik: Der unterlaufene Fehler war Bestandteil des Tatplans. Die Konkretisierung wurde dem Irrenden überlassen, eine diesbezügliche Fehlleistung gehört zu dem mit dem Tatplan verbundenen Risiko der Planverwirklichung. Fehler müssen sich die Mittäter daher zurechnen lassen (Kühl Strafrecht AT, § 20 Rn. 121).
 
Im Gutachten:
Nach Ansicht 2: Damit endet hier die Prüfung des §§ 211 II, 22, 23, 25 II.
Nach Ansicht 1: Weiter in der obigen Prüfung:
b) error in persona als Exzess damit (-)
c) (P) Kann der versuchte Mord an sich selbst zugerechnet werden?
Ansicht 1:  Nach einer Auffassung ist eine Verurteilung wegen versuchten Mordes deshalb nicht möglich, weil die versuchte Selbsttötung nicht strafbar ist. Eine Bestrafung wegen untauglichen Versuchs setze jedoch voraus, dass das betroffene Rechtsgut gegenüber dem Täter geschützt sei (Schreiber JuS 1985, 876).
Kritik: Durch die Zurechnung wird der getroffene Mittäter so behandelt, wie wenn er selbst der Personenverwechslung unterlegen wär und damit, wie wenn er unter Personenverwechselung auf einen Mittäter geschossen hätte (Kühl Strafrecht AT, § 20 Rn. 122).
 
Ansicht 2:  Nach herrschender Meinung (so auch der BGH im konkreten Fall, BGHSt 11, 268; Kühl Strafrecht AT, § 20 Rn. 122; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, Rn. 833) steht dieser Umstand einer Bestrafung nicht entgegen: Da der getroffene Mittäter sich selbst nicht töten/verletzen kann, handele es sich um einen untauglichen Versuch.
 
Im Gutachten:
Nach Ansicht 1: Keine Strafbarkeit nach §§ 211 II, 22, 23, 25 II. B ist nach §§ 211 II, 30 II zu bestrafen.
Nach Ansicht 2: Strafbarkeit des B nach §§ 211 II, 22, 23, 25 II.(+). Ferner ist B wegen untauglichen Versuchs der gefährlichen Körperverletzung in Mittäterschaft strafbar, §§ 223 I224 I Nr. 2222325 II, die hinter den versuchten Mord zurücktritt.















Die Seite wurde zuletzt am 7.10.2024 um 17.00 Uhr bearbeitet.



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