Fremdheit weggeworfener Lebensmittel
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Containern; fremd; Dereliktion; Lebensmittel
Problemaufriss
Fremd sind Sachen, die jedenfalls auch im Eigentum einer anderen Person stehen. Problematisch ist dies bzgl. bereits weggeworfener, aber noch in der Gewahrsamssphäre des fraglichen Eigentümers stehenden Sachen. Durch das Wegwerfen könnte der Wille bekundet worden sein, endgültig auf sein Eigentum zu verzichten (sog. Dereliktion, § 959 BGB). Dadurch wären die Lebensmittel „herrenlos“ geworden und nicht mehr fremd i.S.d. § 242 StGB. Die Dereliktion stellt eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar, für deren Auslegung es maßgeblich nicht auf den objektiven Empfängerhorizont, sondern auf den tatsächlichen subjektiven Willen des Eigentümers selbst ankommt. Der Eigentümer muss den Besitz aufgegeben haben, wobei allerdings nicht jede Besitzaufgabe ausreicht, solange ein Interesse des Eigentümers an der Verhinderung einer unkontrollierten Verbreitung der Sache besteht (MüKo-BGB/Oechsler, 9. Aufl. 2023, § 959 Rn. 3, 8).
Beispiel: A hat Hunger und klettert über den Zaun eines zu dieser Uhrzeit längst geschlossenen Supermarktes. Er entnimmt einige der sich in einem Abfallcontainer befindlichen Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bereits abgelaufen ist und die sich zu einem Verkauf im Lebensmittelhandel daher nicht mehr eignen und zur Entsorgung vorgesehen sind. Mit dem erbeuteten Essen verlässt A das Supermarktgelände.
Problembehandlung
Ansicht 1: In der zur Abholung und Vernichtung bereitgestellter Waren ist ein Eigentumsverzichtswille wenigstens dann zu bejahen, wenn die Lebensmittel sich nicht gerade in einem verschlossenen Behältnis befinden (Jäger JA 2020, 393). Diese Ansicht verneint die Fremdheit der Sachen somit.
Kritik: Ist das Betriebsgelände bereits verschlossen, so zeige dies, dass es dem fraglichen Eigentümer nicht egal ist, wer an die weggeworfenen Lebensmittel gelange (MüKo-StGB/Schmitz, 5. Aufl. 2025, § 242 Rn. 35).
Ansicht 2: Eine andere Ansicht fragt danach, ob das Entsorgungsunternehmen ein Interesse am Eigentumserwerb hat. Wenn nein, stünden der Dereliktion Erwägungen, wonach eine Eigentumsaufgabe aufgrund der bevorstehenden Übereignung nicht gewollt sei, nicht entgegen (Wessels/Hillenkamp/Schuhr BT II, 47. Aufl. 2025, Rn. 117).
Kritik: Erforderlich für die Dereliktion ist eine Besitzaufgabe, welche fehlt, wenn die Lebensmittel vom fraglichen Eigentümer auf seinem Betriebsgelände gelagert werden (MüKo-StGB/Schmitz § 242 Rn. 35).
Ansicht 3: Während man bei der Entsorgung in einen öffentlich zugänglichen Abfallbehälter von einem Entledigungswillen ausgehen könne, spreche die Lagerung auf verschlossenen Betriebsgelände deshalb gegen eine Dereliktion (MüKo-StGB/Schmitz § 242 Rn. 35).
Die Seite wurde zuletzt am 13.11.2025 um 9.59 Uhr bearbeitet.
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