Eingehungs- und Erfüllungsbetrug
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Eingehungsbetrug; Vertrag; Vertragsschluss; schadensgleiche Vermögensgefährdung; schädigende Vermögensgefährdung; konkrete Vermögensgefährdung; Vermeidemacht; Gefährdungsschaden; Anstellungsbetrug; Verfassungsmäßigkeit; Art. 103 Abs. 2 GG; Vermögensschaden; Vermögensverlust
Problemaufriss
§ 263 setzt das Bestehen eines Vermögensschadens voraus. Problematisch ist dieses Erfordernis in den Fällen, in denen es nicht zu einem tatsächlichen Vermögensverlust gekommen ist, sondern lediglich ein Vertrag mit ungleich zu bewertender Leistung und Gegenleistung geschlossen wird, der nicht zur Erfüllung gelangt (Eingehungsbetrug). Kommt es hingegen zur Erfüllung, kann in diesen Fällen ein Erfüllungsbetrug vorliegen.
I. Eingehungsbetrug
Beispiel: K und V schließen einen Kaufvertrag über ein Auto im Wert von 40.000 €. Der Kaufpreis wird entsprechend festgesetzt. Von Anfang an hat V aber nicht vor, überhaupt einen Wagen zu liefern oder will nur ein Fahrzeug liefern, das 20.000 € wert ist. Es wird vereinbart, dass K vorzuleisten hat. Zu einem Leistungsaustausch kommt es nicht. Strafbarkeit des V wegen vollendeten Betrugs gem. § 263 I?
Problembehandlung
Das Problem wird gewöhnlich bei der Prüfung des Schadens behandelt. Nach der h.M. reicht für die Bejahung eines solchen bereits aus, dass es zu einer "konkreten" oder "schadensgleichen" Vermögensgefährdung gekommen ist. Dies ist letztlich eine Konsequenz der wirtschaftlich verstandenen Vermögensbegriffe und bedeutet eine gewisse Vorverlagerung der Betrugsvollendung, welche mit einer Verkürzung der Möglichkeit des strafbefreiendes Rücktritts vom Versuch einhergeht. Schließlich kann ein Täter den Tatbestand des Betruges so allein bereits mit Vertragsschluss mit dem Opfer vollenden, ohne dass es auf eine weitere Abwicklung desselben ankäme.
Zur Feststellung eines Schadens sind die beiden mit Vertragsschluss eingegangenen Verbindlichkeiten miteinander zu vergleichen: Ein Schaden ist zu bejahen, wenn aus Sicht eines objektiven Betrachters der vom Getäuschten erworbene Anspruch wirtschaftlich hinter der von ihm übernommenen Verpflichtung zurückbleibt (BGH NJW 2011, 2675 f.). Dabei können im Einzelfall auch die persönlichen Bedürfnisse und individuellen Verhältnisse des Betroffenen in die Beurteilung einzubeziehen sein ("persönlicher Schadenseinschlag"). Ein Eingehungsbetrug kann zudem auch vorliegen, wenn der Versprechende leistungsunfähig oder -unwillig ist (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT II, 42. Aufl. 2019, Rn. 539).
Hinsichtlich der Annahme einer schadensgleichen Vermögensgefährdung wird vielfach auf die Begriffe der (hohen) Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, das Naheliegen wirtschaftlicher Nachteile oder das ernstliche Damitrechnenmüssen abgestellt (BGHSt 21, 112, 113; 34, 394, 395; BGH NStZ 2004, 264, 265).
Zu beachten bleibt allerdings, dass eine Vermögensgefährdung dann nicht als schadensgleich anzusehen ist, wenn dem Getäuschten werthafte Verhinderungsmöglichkeiten oder auch "Vermeidemacht" zustehen, um eine effektive Vermögenseinbuße noch zu verhindern (z.B. Zug-um-Zug-Einrede nach § 320 BGB, Widerrufsrechte nach den §§ 312 ff., 355 ff. BGB oder andere Möglichkeiten der Lösung vom Vertrag). Diese Möglichkeiten dürfen nicht nur theoretisch bestehen, das heißt, das Opfer muss von diesen Kenntnis besitzen und ihm dürfen hinsichtlich ihrer Anwendung keine erheblichen Hindernisse entgegenstehen (BGH NStZ 2009, 150, 151; Rengier Strafrecht BT I, 24. Aufl. 2022, § 13 Rn. 226 ff.). Unberücksichtigt bleiben – wie auch prinzipiell bei der Schadensberechnung im Rahmen des § 263 I StGB – alle Ansprüche, die dem Opfer gerade aus der Täuschung erwachsen und so lediglich eine nachträgliche Schadensbeseitigung darstellen, beispielsweise § 123 I BGB (BGHSt 21, 112, 113; Rengier Strafrecht BT I, § 13 Rn. 181).
Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 (BVerfGE 126, 170) und 2011 (BVerfGE 130, 1, 42 ff.) die Verfassungsmäßigkeit der Figur der Vermögensgefährdung bestätigt: Bereits in der konkreten Gefahr eines künftigen Verlusts liege ein gegenwärtiger Nachteil (vgl. Rengier Strafrecht BT I, § 13 Rn. 212).
Ferner hat das Gericht klargestellt, dass es auch bei einer Vermögensgefährdung der konkreten Bezifferung der Schadenshöhe in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise nach anerkannten Bewertungsverfahren und -maßstäben bedarf. Werde diesen Anforderungen nicht genügt, so liege ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 II GG vor.
Ausgehend vom normativ-ökonomischen Vermögensbegriff (vgl. das Problemfeld zu den Vermögensbegriffen) gelangt Hefendehl zu einer präziseren und restriktiveren Annahme einer schädigenden Vermögensgefährdung. Denn beinhaltet Vermögen die Durchsetzbarkeit zur eigenen wirtschaftlichen Verwertung, liegt eine schädigende Vermögensgefährdung vor, wenn sich die Hypothese der Verfügbarkeit über einen Vermögensgegenstand qualitativ verschlechtert hat (Münchener Kommentar StGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, § 263 Rn. 899 ff., 801 ff.).
II. Erfüllungsbetrug
Es ist zwischen dem echten und dem unechten Erfüllungsbetrug zu unterscheiden.
Entschließt sich der Vertragspartner erst nach Vertragsschluss, nicht vertragsgemäß zu leisten und sein Gegenüber darüber zu täuschen, liegt ein echter Erfüllungsbetrug vor, wenn die tatsächlich erbrachte Leistung negativ von der vertraglich geschuldeten abweicht. Dies gilt unabhängig davon, ob die erbrachte Leistung ihren Preis wert ist (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT 2, Rn. 542). Der höherwertige Erfüllungsanspruch ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Vertragsabwicklung bereits Vermögensbestandteil des Vertragspartners geworden (Rengier Strafrecht BT I, § 13 Rn. 199).
Ein unechter Erfüllungsbetrug kommt dann in Betracht, wenn bereits im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts über die Eigenschaft einer Sache getäuscht wird und der hierauf beruhende Irrtum bei der Erfüllung fortwirkt. Ohne Weiteres tritt ein Schaden dann ein, wenn die erhaltene Ware ihren Preis nicht wert ist. Fraglich ist, ob ein Vermögensschaden auch dann vorliegt, wenn der Getäuschte Ware zum marktüblichen Preis erwirbt.
Beispiel: A erwirbt für 50 EUR eine Hose von B, die dieser als "reine Schurwolle" bewirbt, obwohl B weiß, dass die Hose zur Hälfte aus Kunststoff besteht. Reine Schurwollhosen wären wesentlich teurer. Die erworbene Hose ist ihr Geld tatsächlich jedoch wert.
Problembehandlung
Nach h.M. wird in dieser Konstellation das Vorliegen eines Vermögensschadens abgelehnt: Maßgeblich für die Schadensbegründung ist ein objektiver Wertvergleich der Leistungen. Vorliegend wird das Opfer nicht wirtschaftlich ärmer, lediglich die Gewinnerwartung wird nicht erfüllt (Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT 2, Rn. 542).
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