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Kann der Gefährdete in den Gefahrerfolg rechtfertigend einwilligen







Tags


Einwilligung; Rechtfertigung; Gefahrerfolg; Individualrechtsgüter; kollektive Rechtsgüter; disponibel; Disponibilität; Straßenverkehr


Problemaufriss


Fraglich i.R.d. § 315c ist, inwiefern der durch einen Verkehrsverstoß aus § 315c Gefährdete in den Erfolg rechtfertigend einwilligen kann.


Dazu ist maßgeblich, ob die durch § 315c geschützten Rechtsgüter (Schutz der Gesundheit des Einzelnen und Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr für die Allgemeinheit) durch den Gesetzgeber einen kumulativen (nur gemeinsamen) oder alternativen (unabhängig voneinander) Schutz erhalten.


Abstrakt vorstellen kann man sich die Differenzierung zwischen kumulativem und alternativem Schutz wie einen Torbogen, der auf 2 Säulen ruht. Die 2 Säulen sind jeweils das Rechtsgut des Einzelnen und das Rechtsgut der Allgemeinheit. Durch die Einwilligung wird die Säule mit dem Rechtsgut des Einzelnen entfernt, denn nur in dieses Rechtsgut kann direkt eingewilligt werden.


Steht nun der Torbogen nur noch auf der Säule der Allgemeinheitsrechtsgüter, so liegt ein alternativer Schutz vor. Der Bogen steht unabhängig, ob in eines der Rechtsgüter eingewilligt wird und eine Einwilligung ist somit nutzlos.


Fällt der Bogen jedoch in sich zusammen, so liegt ein kumulativer Schutz vor. Die Einwilligung in das disponible Rechtsgut des Einzelnen hat auch zur Folge, dass auch in das indisponible Rechtsgut der Allgemeinheit eingewilligt wird.


Problembehandlung


Ansicht 1 (Disponibilitätstheorie): Einer Ansicht zufolge liegt ein kumulativer Schutz der Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit vor. Eine Einwilligung in das Rechtsgut des Einzelnen als disponibles Rechtsgut jedes Individuums würde somit eine Einwilligung in beide Rechtsgüter zur Folge haben (Rengier Strafrecht BT II, 22. Aufl. 2021, § 44 Rn. 19a; Schönke/Schröder/Hecker StGB, 30. Aufl. 2019, § 315c Rn. 41).


Kritik: Die Einwilligung in ein disponibles Rechtsgut kann nicht zur Folge haben, dass auch ein indisponibles Rechtsgut, nämlich das der Allgemeinheit, "einwilligbar" und damit disponibel für jeden Einzelnen wird (BGH NJW 1954, 1255, 1225).


Ansicht 2 (Indisponibilitätstheorie): Der anderen Ansicht zufolge liegt ein alternativer Schutz der Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit vor. Eine Einwilligung in das Rechtsgut des Einzelnen ist irrelevant und es kann somit nicht in den § 315c eingewilligt werden, zumindest hätte eine Einwilligung keine rechtfertigende Wirkung hinsichtlich des Gefährdungserfolges (BGH NJW 1954, 1255; NJW 1970, 1380 ,1381; Leipziger Kommentar StGB/König, 12. Aufl. 2008, § 315c Rn. 199; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT I, 43. Aufl. 2019, Rn. 1033).


Kritik: Da § 315c den Eintritt einer konkreten Gefahr für Individualrechtsgüter voraussetzt, lässt sich kaum bestreiten, dass der Schutz jedenfalls auch individuellen Rechtsgütern gilt, die gleichberechtigt und nicht bloß als Annex der Straßenverkehrssicherheit geschützt werden (Schönke/Schröder/Hecker StGB, § 315c Rn. 41).






Ansicht 3: Eine weitere Ansicht geht mit der zuerst genannten,die Einwilligung für möglich haltenden Ansicht im Ergebnis konform. Allerdings weicht die dogmatische Begründung ab: Es sei keine Frage der Einwilligung und der Disponibilität des entsprechenden Rechtsguts, sondern es geht um einen Zurechnungsausschluss aufgrund einverständlicher Fremdgefährdung bzw. eigenverantwortlicher Selbstgefährdung**.** Ein sich freiverantwortlich gefährdender Dritter begebe sich selbst in Gefahr. Der Täter greife also nicht in seinen Rechtskreis ein (vgl.Otto Grundkurs Strafrecht 2, 8. Aufl. 2009, § 80 Rn.33).















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 11.18 Uhr bearbeitet.



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