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Verfolger-Fall – BGHSt 11, 269 (Exzess des Mittäters)







Tags


Mittäter; Exzess; Mittäterexzess; Verfolger; Verfolgerfall; Verfolgerirrtum; Tatplan; Konkretisierungstheorie; Gleichwertigkeitstheorie; error in persona; aberratio ictus; untauglicher Versuch; Selbsttötung; Straflosigkeit


Sachverhalt


P und M wollen als Teil einer Diebesbande in ein Geschäft einbrechen, um dort zu stehlen. Alle Mitglieder der Bande führten bei ihren Einbrüchen stets geladene Schusswaffen mit sich. Sie vereinbarten, dass notfalls auf Verfolger geschossen werden soll. Dabei kam es ihnen darauf an, diese von einer weiteren Verfolgung und von Festnahmeversuchen abzuhalten. Es war ihnen dabei gleichgültig, ob diese getötet werden. Als sie versuchten, durch ein Fenster in das Gebäude einzudringen, wurden sie von dem Inhaber des Geschäfts entdeckt. Der Geschäftsinhaber schlug das Fenster zu, gestikulierte und stand dort "wie ein Bär brüllend". P und M schossen auf das Fenster und ergriffen daraufhin die Flucht. M meinte, einen Verfolger hinter sich wahrzunehmen. Dabei handelte es sich jedoch um P. M schoss nach hinten und traf ihn am Arm. Da die Kugel in der Fütterung der Jacke stecken blieb, wurde P nicht verletzt.


Entscheidung


Der BGH verurteilte sowohl M als auch P wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft nach §§ 211 II, 2223 I, 25 II.


Problematisch war insb., dass P in diesem Fall wegen versuchten Mordes zu seinen eigenen Lasten bestraft würde. Während der einem als bloßer Motivirrtum unbeachtlichen error in persona unterliegenden M sich unproblematisch wegen versuchten Mordes strafbar gemacht hat, erscheint fraglich, wie sich dieser Irrtum auf den P auszuwirken hat. Des Weiteren kommt es darauf an, ob dem P ein versuchter Mord an sich selbst zugerechnet werden kann, da die versuchte Selbsttötung nicht strafbar ist (s. das Problemfeld hier).


Der BGH führte aus, P handelte mit Tatentschluss, da die Vereinbarung mit M umfasste, dass auf Verfolger geschossen wird, um einer Festnahme zu entgehen, wobei ein tödlicher Ausgang billigend in Kauf genommen wurde. Das der error in persona des M für ihn selbst unbeachtlich sei (gleichwertiges Tatobjekt, Leben eines Verfolgers und Leben des P; s. das Problemfeld hier), könne auch für den Mittäter P nichts anderes gelten (s. das Problemfeld hier I. 2.).


Da in §§ 212211 nur die Tötung eines anderen Menschen unter Strafe gestellt ist, handele es sich indes um einen untauglichen Versuch. Einer Strafbarkeit stehe gleichwohl nicht entgegen, dass das Rechtsgut des eigenen Lebens gegenüber dem Täter selbst nicht geschützt sei. Denn beim untauglichen Versuch stelle die Verletzung der Rechtsordnung an sich bereits eine Gefahr dar (zum untauglichen Versuch s. das Problemfeld hier). Als Tatbeitrag des P sei das geistige Mitwirken vor der Tat ausreichend. P habe sich durch die Verabredung, auf Verfolger zu schießen, die Tat zu eigen machen wollen. Die Gefahrengemeinschaft der Mittäter verpflichte den M zum Schuss. Außerdem hätte P die anderen jederzeit darum bitten können, dieses Mal vom üblichen Tatplan abzuweichen. Dass er mit dem konkreten Schuss auf sich selbst nicht einverstanden war, stehe dem nicht entgegen, da er seinen Tatbeitrag bereits erbracht hatte. Für Straflosigkeit sei dann ein Rücktritt gem. § 24 II erforderlich gewesen.


P hat sich somit wegen versuchten Mordes in Mittäterschaft zu seinen eigenen Lasten nach §§ 211 II222325 II strafbar gemacht.















Die Seite wurde zuletzt am 18.4.2023 um 11.32 Uhr bearbeitet.



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