Auswirkung des error in persona des Tatmittlers auf die Strafbarkeit des mittelbaren Täters
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error in persona; aberratio ictus; Irrtum; Konkretisierung; Individualisierung; Fehlgehen der Tat
Problemaufriss
Beispiel: A beauftragt seinen als geisteskrank bekannten Bruder B, die gehasste Stiefmutter S zu erschießen. Um diese identifizieren zu können, gibt A dem B ein Foto der S mit. B tötet jedoch die kleine Schwester K, die er beim Abfeuern der Waffe für S gehalten hat.
Umstritten ist, wie sich die Objektverwechslung des B auf den mittelbaren Täter A auswirkt.
Problembehandlung
Ansicht 1: Eine Ansicht behandelt den error in persona des Vordermanns als eine vorsatzausschließende aberratio ictus des Hintermanns. Denn es sei rechtlich bedeutungslos, ob eine mechanische Waffe ihr Ziel verfehle oder ob es zu einer solchen Situation beim Einsatz eines menschlichen Werkzeugs komme. Damit werde der Täter wegen Versuch hinsichtlich des erstrebten Erfolges und – sofern strafbar – wegen Fahrlässigkeit hinsichtlich des getroffenen Objektes bestraft (Jescheck/Weigend Strafrecht AT, 5. Aufl. 1996, § 62 III 2; Roxin Strafrecht AT II, 1. Aufl. 2003, § 25 Rn. 171).
Kritik: Wer dem Tatmittler bei der Individualisierung des Opfers einen Spielraum lässt (etwa dadurch, dass er das Opfer nicht hinreichend beschreibt), kann sich mit einer Identitätsverwechselung auch nicht entlasten (BeckOK StGB/Kudlich, 62. Ed. 2024, § 25 Rn. 42.1).
Ansicht 2: Eine andere Ansicht stellt darauf ab, ob der Hintermann dem Tatmittler die Individualisierung des Tatobjekts überlassen hat. Habe der Hintermann die Konkretisierung allein dem Tatmittler überlassen, so müsse er sich dessen Auswahlfehler wie eine eigene Objektverwechslung (error in persona) zurechnen lassen, wenn diese in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren liegt. In diesem Fall habe der Hintermann die Verwechslungsgefahr in seinen Vorsatz aufgenommen. Hat hingegen der Hintermann die Objektindividualisierung vorgegeben, so sei die weisungswidrige Ausführung nach den Regeln der aberratio ictus zu behandeln (Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT, 53. Aufl. 2023, Rn. 886; Schönke/Schröder StGB/Heine/Weißer, 30. Aufl. 2019, § 25 Rn. 54 f.; Rengier Strafrecht AT, 15. Aufl. 2023, § 43 Rn. 74).
Zum Beispiel: A gab seinem Bruder ein Bild der verhassten Stiefmutter mit. Von einer hinreichenden Konkretisierung ist somit auszugehen. Damit ist der error in persona des B nach Ansicht 2 mithin als aberratio ictus des A zu bewerten. Auch nach Ansicht 1 ist die Verwechselung für B als aberratio ictus zu werten. Ein Streitentscheid kann dahinstehen. Damit ist B wegen versuchter Tötung der S nach §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 I Alt. 1 und wegen fahrlässiger Tötung der K nach § 222 zu bestrafen.
Es besteht weitestgehend Identität zum Problemfeld der Auswirkung des error in persona des Haupttäters auf den Vorsatz des Anstifters. In diesen Fällen ist jedoch als besonderer Grund für die aberratio ictus Lösung das "Blutbadargument" zu beachten!
Die Seite wurde zuletzt am 4.11.2024 um 17.20 Uhr bearbeitet.
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